Badische Neueste Nachrichten: AusÜberzeugung

Es ist nicht mehr zu übersehen: In Berlin hat
der Wahlkampf längst begonnen. Und der findet auf den verschiedensten
Bühnen statt: In den Parteizentralen, im Kanzleramt, im Bundestag –
und auch im Bundesrat. Dass SPD und Grüne nach dem Wahlsieg in
Niedersachsen ihre neue Mehrheit in der Länderkammer nützen würden,
um manch ungeliebtes Projekt der schwarz-gelben Bundesregierung zu
Fall zu bringen oder sie umgekehrt durch eigene Beschlüsse unter
Druck zu setzen, kam nicht überraschend. Das hatten umgekehrt auch
Edmund Stoiber, Roland Koch und Co gemacht, als sie mit ihrer
Mehrheit die damalige rot-grüne Regierung mehr als einmal auflaufen
ließen. Diese Chance, kurz vor der Wahl ihre neue Stärke in den
Ländern öffentlichkeitswirksam zu demonstrieren, wollte sich Rot-Grün
nicht entgehen lassen. Gleichwohl machen es sich Union und FDP zu
leicht, wenn sie das rot-rot-grüne Nein zum Betreuungsgeld als bloßes
wahltaktisches Manöver geißeln und den Ländern vorwerfen, den
Bundesrat als Bühne für parteipolitische Manöver zu missbrauchen.
Denn in diesem Fall sind die Ministerpräsidentinnen und
Ministerpräsidenten nicht irgendeinem Diktat der Parteizentrale
gefolgt, das es ohnehin nicht gibt, sondern haben aus Überzeugung ein
Gesetz abgelehnt, das sie schon immer und bereits von Anfang an in
seinem ganzen Ansatz für falsch gehalten haben. Union und FDP mussten
wissen, dass das Prestigeprojekt von Horst Seehofer, das dieser gegen
große Widerstände innerhalb der Koalition durchgesetzt hatte, im
Bundesrat keine Mehrheit hat. Schon im Koalitionsvertrag 2009 hatten
sich Union und FDP auf die Einführung des Betreuungsgeldes geeinigt,
damals gab es auch noch eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat.
Doch durch Untätigkeit und gegenseitige Blockade verspielten sie
diesen Vorteil, es bedurfte mehrerer Koalitionsgipfel, bis das
ungeliebte Gesetz auf den Weg kam. Derweil jedoch ging ein ums andere
Land verloren. Die Leidtragenden dieses Streits sind die Eltern
kleiner Kinder, auf deren Rücken Koalition und Opposition ihren
Machtkampf austragen. Ihnen wollte die Politik eigentlich
Wahlfreiheit garantieren. Doch wenn es ganz schlecht läuft, stehen
sie ab 1. August mit leeren Händen da, weil es für sie weder einen
Betreuungsplatz noch das Betreuungsgeld gibt.

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Klaus Gaßner
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