Bei ihrem Besuch in Moskau hat Angela Merkel den
richtigen Ton gefunden. Sie hat offene Kritik geübt an der
Menschenrechtslage und der zunehmenden Einschränkung der bürgerlichen
Freiheit in Russland. Die Kanzlerin hat es aber auch mit
diplomatischem Gespür verstanden, die russische Seite nicht in den
Schmollwinkel zu treiben. Das war ein schwieriger Drahtseilakt. Das
harte Urteil gegen die jungen Musikerinnen von „Pussy Riot“, die
Serie repressiver Gesetze gegen die Bürgerbewegung – Merkel sprach
die Konfliktthemen an, die das Verhältnis in den vergangenen Monaten
belastet hatten. Das war aus zwei Gründen wichtig. Zum einen hätte
ein Schweigen zu den Vorgängen in Russland den Ausverkauf der eigenen
Werte bedeutet. Wer glaubwürdig für Freiheit, Gewaltenteilung und
Rechtsstaatlichkeit eintritt, kann nicht die
„Modernisierungspartnerschaft“ mit einem zunehmend autoritären System
bejubeln. Zum anderen ist die Kritik aus Deutschland auch ein
wichtiges Signal an die russische Opposition: Ihr seid nicht allein.
Wladimir Putin dagegen hat bei diesem Treffen ein Eigentor
geschossen. Egal ob Irrtum oder Absicht: Dass er ein Mitglied der
Punkband „Pussy Riot“ fälschlicherweise des Antisemitismus
beschuldigt, zeigt seine verdrehte Sicht auf die Andersdenkenden im
eigenen Land. Denn die Aktion der Künstlergruppe Wojna war gegen
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gerichtet. Es ist ein
weiterer Lapsus bei Putins öffentlichen Auftritten und wird seinem
Image schaden. Noch etwas hat Merkels Besuch gezeigt: Kritik an Putin
bedeutet keine Gefahr für das deutsch-russische Verhältnis. Man muss
sich einfach nur trauen. Bis zum Schluss blieb die Atmosphäre
zwischen Merkel und Putin freundschaftlich. Denn Russland und
Deutschland brauchen einander. Und das weiß auch Wladimir Putin
genau.
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