Badische Neueste Nachrichten: Erbärmlich

Als sei die ganze Aufregung um das Roma-Mädchen
Leonarda Dibrani nicht schon groß genug gewesen, hat es François
Hollande geschafft, noch eins draufzusetzen. Im vermeintlichen
Versuch, die Wogen zu glätten und den Streit zu entschärfen,
erreichte der Präsident mit seinem persönlichen Eingreifen genau das
Gegenteil: Seine Worte entzündeten eine neue Debatte und lösten eine
mittlere Regierungskrise aus. Nach landesweiten Schülerprotesten und
Flügelkämpfen der PS über den Umgang mit Leonarda Dibrani hatte sich
der Präsident überraschend durchgerungen, der 15-Jährigen die Hand zu
reichen. Leonarda könne nach Frankreich zurückkehren, bot der
Präsident an – allerdings: ohne ihre Familie. Kein Wunder, dass das
Mädchen ihn umgehend abblitzen ließ. Jetzt reibt sich ganz Frankreich
verwundert die Augen: Hat denn Hollande keine Berater? Wie konnte es
so weit kommen, dass sich der Präsident von einer 15-Jährigen
öffentlich belehren lässt? Was hat ihn überhaupt zu dem fragwürdigen
Angebot geritten, sie müsse sich zwischen Frankreich und ihrer
Familie entscheiden – was überdies gegen internationale Normen
verstößt? Immerhin hätte Hollande guten Grund gehabt, anders zu
handeln: Schließlich hatte sich die Abschiebung als rechtskonform
herausgestellt. Die Asylanträge der Familie waren allesamt abgelehnt
worden, zudem hatte der Vater die Behörden belogen. Offenbar hat sich
der Präsident selbst zu dieser Linie entschlossen – vor allem, um ein
Signal an die Schüler und die politische Linke auszusenden. Doch im
abermaligen Versuch, es allen recht zu machen, hat der Staatschef nur
einmal mehr alle gegen sich aufgebracht und sich zwischen die Fronten
gesetzt. Der Fall ist nicht nur erbärmlich, sondern typisch für
Hollandes Regierungsstil: Er zeigt exemplarisch die
Entscheidungsschwäche des Präsidenten auf, der sich schwertut, sein
Land zu führen.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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