Es ist diese kleine, fast schon rührende Szene,
die so gut wie alles erklärt: Als sich SPD-Spitzenkandidatin
Hannelore Kraft und ihre grüne Kollegin Sylvia Löhrmann am
Sonntagabend im Fernsehstudio erstmals sehen, fallen sie sich in die
Arme, herzen sich intensiv und wollen gar nicht mehr voneinander
loslassen. Keine einstudierte Pose, keine vorbereitete Aktion,
sondern eine spontane Geste voller Emotion und Ehrlichkeit. Da sind
zwei, die sich verstehen, vertrauen und aufeinander verlassen. Gerade
deshalb haben sie die Wahl in NRW gewonnen. Undenkbar, eine solche
Szene in Berlin zu erleben. CSU-Chef Horst Seehofer hat aus Protest
gegen Merkels Hinhaltetaktik beim Betreuungsgeld jegliche
Kommunikation mit der Kanzlerin eingestellt und schmollt, FDP-Chef
Philipp Rösler freut sich diebisch, dass er Merkel bei der Kür des
Bundespräsidenten wie einen Frosch weichgekocht hat. Da regieren
drei, die sich nicht verstehen und einander nicht vertrauen. Zwar ist
die CDU eifrig bemüht, das Debakel an Rhein und Ruhr zu einem rein
regionalen Ereignis zu erklären, das ausschließlich Norbert Röttgen
zu verantworten habe, und doch ist diese Brandmauer, die Merkels
Getreue um ihre Chefin ziehen, äußerst brüchig. An Rhein und Ruhr hat
nicht irgendein mittelprächtiger Nachwuchspolitiker aus der Provinz
verloren, sondern Merkels Ziehsohn, ein führender Vertreter ihrer
Prätorianergarde, der wie kein anderer den von ihr verordneten Kurs
der Öffnung der Partei, der gesellschaftlichen Modernisierung und der
Hinwendung zu den soften Themen verkörpert. Noch ist die Kanzlerin
beim Volk beliebt und in der Partei unangefochten, doch ihre Basis
erodiert und damit ihre Mehrheitsfähigkeit. Um Merkel wird es in den
eigenen Reihen reichlich einsam. SPD und Grüne mögen jubilieren, doch
sie haben dafür keinen Anlass. Sicher, sie haben die These widerlegt,
dass es für Zweier-Bündnisse traditionellen Zuschnitts keine Mehrheit
mehr gibt, doch dies ist ausschließlich der besonderen Situation in
NRW geschuldet. Undenkbar, dass sich auch Sigmar Gabriel und Claudia
Roth so herzen und liebkosen wie Kraft und Löhrmann. Mag die CDU eine
Partei mit einer starken Chefin und einer schwindenden Basis sein, so
ist die SPD eine Partei ohne erkennbare Führung. Die Troika wird zur
Last, weil sich die drei potenziellen Kandidaten gegenseitig
blockieren, zudem entfaltet keiner der drei die Strahlkraft einer
Hannelore Kraft.
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