Natürlich kann Peer Steinbrück Kanzler. Aber
wird er es auch? Im Moment geht es dem Kandidaten der SPD nicht
anders als vor ihm Frank-Walter Steinmeier. Beide gehörten als
Minister zu den Stützen der Großen Koalition, beide werden für ihre
pragmatische Art bis ins bürgerliche Lager hinein geschätzt – im
direkten Vergleich mit Angela Merkel aber hilft das Steinbrück bisher
so wenig wie es Steinmeier bei der letzten Bundestagswahl geholfen
hat. Gegen eine solche Kontrahentin hat es schon ein Kandidat, der
keine Fehler macht, schwer. Wenn der Kandidat seine Kampagne dann
allerdings auch noch so unvorbereitet beginnt wie Steinbrück, stößt
auch die ausgeklügelste Wahlkampfstrategie an ihre Grenzen. Dass
ausgerechnet ein Sozialdemokrat der Abgeordnete mit den höchsten
Nebeneinkünften ist, hat dem Ruf des früheren Finanzministers mehr
geschadet als er selbst es wahrhaben will. So trotzig Peer Steinbrück
darauf pocht, seine Honorare stets korrekt gemeldet zu haben: Viele
Wähler plagt dabei dennoch ein diffuses Unbehagen. Muss eine Partei,
die sich als Anwalt der kleinen Leute versteht, einen Mann zum
Spitzenkandidaten küren, der quasi nebenbei Millionär geworden ist?
Der rasch mal Kasse gemacht hat? Ein solches Image, so ungerecht der
Betroffene selbst es empfinden mag, kann auch der beste Imageberater
nicht nachhaltig korrigieren, und schon gar nicht auf die Schnelle.
Umso wichtiger wäre es aus seiner Sicht, die Diskussion jetzt in eine
andere Richtung zu lenken, damit nicht mehr so viel über ihn geredet
wird, sondern vor allem darüber, wie er das Land denn regieren würde.
Doch auch hier tun sich Kandidat und Partei schwerer miteinander als
es nach dem klaren Votum für das neue Rentenkonzept aussieht. Eine
von Steinbrücks Stärken, seine kritische Distanz zur eigenen Partei,
ist zugleich ja auch eine seiner Schwächen: Damit die SPD ihn
geschlossen unterstützt, muss er Kompromisse eingehen, die er unter
anderen Umständen nie eingehen würde. Für einen Kanzler Steinbrück,
zum Beispiel, wäre die Rente mit 67 nicht verhandelbar. Der Kandidat
Steinbrück dagegen hat sich auf Druck der SPD-Linken ein Stück weit
von ihr verabschiedet. Mit ihrem Rentenkonzept haben die Genossen nun
Steinbrücks Beinfreiheit beschnitten – diplomatisch-freundlich im
Ton, aber sehr konsequent in der Sache. Ihr Kandidat steckt damit in
einem kaum aufzulösenden Dilemma: In einem Wahlkampf, in dem die SPD
das Soziale groß schreiben will, kann er zweistellige
Milliardenbeträge an zusätzlichen Kosten vielleicht noch ausblenden.
In einem Koalitionsvertrag nicht.
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