Badische Neueste Nachrichten: Mängel im System

Mit seiner ruhigen, bedächtigen Art hat
Hans-Peter Friedrich dem Amt des Bundesinnenministers viel von seinem
Sheriff-Gehabe genommen. Im Streit um den Verfassungsschutz aber
lässt er es nun etwas zu ruhig und zu bedächtig angehen. In einem
Dienst, der mindestens ein Jahrzehnt lang so viel verschlafen hat wie
die Schlapphüte von Bund und Ländern, darf im Prinzip kein Stein auf
dem anderen bleiben – nicht im Bundesamt und schon gar nicht in
einigen der 16 Landesämter. Die meisten Praktiker halten es deshalb
mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Sie wünschen
sich einen kleineren, aber schlagkräftigeren Verfassungsschutz.
Einen, der sich auf die Gegner unserer freiheitlich-demokratischen
Grundordnung konzentriert und seine Ressourcen nicht verschwendet,
indem er aus politischer Opportunität Abgeordnete der Linkspartei
beobachtet. Entscheiden allerdings wird über die Zukunft des
Verfassungsschutzes politisch – und solche Entscheidungen folgen in
den seltensten Fällen rein rationalen Kriterien. Welcher
Ministerpräsident verzichtet schon freiwillig auf sein Landesamt für
Verfassungsschutz? Und welcher Bundesinnenminister legt sich schon
gern mit einem knappen Dutzend Landesfürsten an, die ihr Revier
verteidigen? Als Musterbeispiel für einen funktionierenden
Föderalismus wird der Verfassungsschutz deshalb kaum in die deutsche
Nachkriegsgeschichte eingehen. Im Gegenteil. Die Morde der Zwickauer
Zelle haben die Mängel im System auf schaurige Weise offen gelegt.
Auch deshalb darf die Politik jetzt nicht kneifen. Mit einer Reihe
personeller Veränderungen wird es dabei nicht getan sein. Der
Innenminister muss bei der geplanten Reform auch die Systemfrage
stellen: Schadet das Nebeneinander von Bundes- und Landesbehörden
womöglich mehr als es nutzt. Und, wenn ja: Ist eine Konzentration der
Kräfte dann nicht der einzig vernünftige Weg aus diesem
Zuständigkeitsdickicht?

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Klaus Gaßner
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