Willkommen im Sandkasten der Politik. Sechs
Monate vor der Wahl hat in den Parteizentralen der Koalition die
Operation Machterhalt begonnen. Bessere Renten für ältere Mütter und
Geringverdiener, mehr Geld für den Straßenbau und dazu die Aussicht
auf ein Ende des unpopulären Solidaritätszuschlages: Im großen
Milliardenmonopoly von Union und FDP ist nichts unmöglich und fast
alles erlaubt. Nur einer steht staunend im Abseits: Finanzminister
Wolfgang Schäuble. Er will spätestens im Jahr 2015 ohne neue Schulden
auskommen – und muss nun mit ansehen, wie Parteifreunde und
Koalitionspartner Geld verplanen, das sie noch gar nicht haben. Für
fast jedes Versprechen gibt es Argumente genug. Ja, Mütter, deren
Kinder vor 1992 geboren wurden, werden bei der Rente empörend
ungerecht behandelt. Ja, der Solidaritätszuschlag ist ein latentes
Ärgernis und alles, nur kein Beitrag zum Aufbau Ost. Und ja, wer
wenig verdient und trotzdem ein Berufsleben lang fleißig gearbeitet
hat, soll später mehr Rente bekommen als der, der sich in die
berühmte Hängematte gelegt und auf den Sozialstaat verlassen hat.
Alles zusammen allerdings wird kaum gehen – und deshalb sollte eine
Koalition, die sich ihrer soliden Finanzpolitik rühmt, nur das
versprechen, was sie auch halten kann. Dass die Opposition vor einer
Wahl etwas großzügiger kalkuliert, liegt in der Natur der Sache. Wer
nicht regiert, unterscheidet nicht so genau zwischen Wunsch und
Wirklichkeit. Union und FDP dagegen wissen sehr wohl, was in den
nächsten vier Jahren möglich ist und was nicht. Nicht nur die
Schuldengrenze im Grundgesetz zwingt sie zur Sparsamkeit, das
Beispiel Zypern zeigt ihr auch, welche Risiken in der Euro-Zone noch
lauern. Umso unverständlicher ist es, wie sich einige Koalitionäre
gerade mit populären, aber teuren Reformvorschlägen überbieten. Ihre
Kalkulation geht nur auf, wenn die nächste Regierung entweder an
anderer Stelle kräftig kürzt oder Steuern erhöht – oder die
Konjunktur so brummt, dass die Finanzämter irgendwann gar nicht mehr
wissen, wohin mit den zusätzlichen Milliarden. Weder das eine noch
das andere Szenario sind im Moment jedoch sehr wahrscheinlich. Vor
allem Angela Merkel und Horst Seehofer spielen ein riskantes Spiel.
Auf der einen Seite beteuern sie, nichts anderes im Sinn zu haben,
als die Neuauflage von Schwarz-Gelb im Herbst. Auf der anderen Seite
klingen ihre Rentenbeschlüsse schon verdächtig nach Großer Koalition.
Sowohl mit der Mütterrente der CSU als auch mit der sogenannten
Lebensleistungsrente von Sozialministerin Ursula von der Leyen haben
die Liberalen ihre ordnungspolitischen Probleme. Mit den
Sozialdemokraten könnte sich die Union hier deutlich schneller
einigen. Natürlich kämpft im Wahlkampf jede Partei für sich.
Bürgerliche Wähler aber erwarten von den Parteien einer bürgerlichen
Koalition auch vor Wahlen mehr Realitätssinn als von
Sozialdemokraten, Grünen oder Linken. Konservative und Liberale, die
höhere Renten versprechen oder niedrigere Steuern, dürfen sich um die
Frage nach der Finanzierbarkeit nicht herummogeln. Die FDP, vor vier
Jahren noch für ihr Mantra von den niedrigeren Steuern gefeiert, hat
das unter großen Schmerzen begriffen und will den
Solidaritätszuschlag nur noch schrittweise abschaffen. Die Union
dagegen lässt sich von Seehofer auf gefährliches Terrain treiben. So
einfach, wie er suggeriert, ist die neue Mütterrente angesichts der
Widerstände im Bundesrat und in der FDP nicht zu haben.
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