Scheitern verboten. Ein gewaltiger Druck lastet
auf den Spitzen von Koalition und Opposition. Bei ihrem Gipfeltreffen
im Kanzleramt zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und zum
Fiskalpakt waren sie zu einer Einigung verdammt. Innenpolitisch, weil
die Zeit drängt und Bundestag und Bundesrat schon in der kommenden
Woche mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit dem Vertragswerk zustimmen
müssen. Aber auch außenpolitisch, weil Europa am Abgrund steht, die
Krise in Griechenland und Spanien sich weiter zuspitzt und
ausgerechnet eine Verzögerung, möglicherweise sogar ein Scheitern in
der mit Abstand stärksten Volkswirtschaft Europas das Vertrauen in
die Zukunft der Gemeinschaftswährung weiter erschüttert hätte. Diese
Gefahr ist erst einmal gebannt. Daran ändert auch die Bitte des
Bundesverfassungsgerichts an Bundespräsident Joachim Gauck nichts,
mit der Unterzeichnung des Gesetzes so lange zu warten, bis die Hüter
der Verfassung über den Eilantrag gegen den Fiskalpakt entschieden
haben. Das hat allenfalls aufschiebende, aber keine aufhebende
Wirkung. Das Signal, das vom Berliner Kanzleramt ausgeht, ist
eindeutig. Deutschland steht zum Euro und wird das Seine tun, um zu
verhindern, dass aus der Krise ein Flächenbrand wird. Auch wenn der
Preis dafür hoch ist. Bundesregierung und Bundestag geben weitere
nationale Souveränitätsrechte an die EU ab und schränken das
Königsrecht des Parlaments, alleine über die Einnahmen und Ausgaben
des Bundes zu entscheiden, erstmals ein, indem sie dem Rat der
Euro-Finanzminister wie der EU-Kommission erlauben, in die nationalen
Haushalte einzugreifen. Das beseitigt nicht nur einen Geburtsfehler
des Euro, sondern wird die Politik in den Mitgliedsstaaten
substanziell verändern. Auch Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik
wird nun Teil einer europäischen Innenpolitik, die Krise beschleunigt
den Integrationsprozess und die Vertiefung, die unabdingbar sind,
damit eine Gemeinschaftswährung überhaupt funktionieren kann. Die
Zeiten, in denen jedes Land vor sich hinwursteln konnte, gehen zu
Ende. Nur, vorbei ist die Krise damit noch lange nicht. ESM und
Fiskalpakt wirken nicht schlagartig und lösen nicht von heute auf
morgen die Probleme. Vor der Euro-Zone steht noch ein langer und
beschwerlicher Weg, vor allem die Südländer, die unmittelbar nach der
Euro-Einführung von den extrem niedrigen Zinsen profitiert haben,
stehen unverändert vor harten und schmerzhaften Reformen, die ihnen
niemand abnehmen kann. Die Kombination von milliardenschwerem ESM und
strengem Fiskalpakt, sowie mit den auf Druck von SPD und Grünen
zusätzlich aufgelegten Programmen für mehr Wirtschaftswachstum und
zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, könnte langfristig zur
Gesundung der Gemeinschaftswährung führen – wenn denn die
Mitgliedsstaaten aus der Katastrophe lernen und nicht wie einst beim
Maastricht-Vertrag die Auflagen brechen. Der Euro ist zu wichtig, um
ihn aufs Spiel zu setzen. Auch hier gilt: Scheitern verboten.
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