Badische Neueste Nachrichten: Schaltzentrale Bundesrat

Das wird kein guter Tag für Kristina Schröder.
Seit Monaten wirbt die junge Frauen- und Familienministerin von der
CDU lautstark und vehement für ihr Modell der Flexiquote. Die Firmen
sollen selbst entscheiden, wie hoch der Anteil von Frauen in
Führungspositionen ist, müssen diese Vorgabe aber veröffentlichen und
jährlich Rechenschaft darüber ablegen, ob sie ihr selbst gestecktes
Ziel auch erreicht haben. Der öffentliche Druck, so das Kalkül der
Ministerin, werde so groß sein, dass es sich die Unternehmen gar
nicht erlauben können, bei der Frauenförderung zu versagen. Die Sache
hat, so gut sie in der Theorie auch klingt, einen entscheidenden
Haken: Nicht einmal die eigene Partei steht geschlossen hinter
Kristina Schröder und ihrer Flexiquote. Ausgerechnet ihre
Vorgängerin, Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen, hält
von der Flexiquote überhaupt nichts und gibt sich in der
Öffentlichkeit als Kämpferin für eine gesetzlich vorgeschriebene
Quote. Wer auf Freiwilligkeit setze, so das Credo von der Leyens,
habe schon verloren. So sieht es auch eine Mehrheit der Länder – und
fällt damit am heutigen Freitag Kristina Schröder in den Rücken. Ein
Antrag des SPD-regierten Stadtstaates Hamburg, den Frauenanteil in
Aufsichtsräten auf 40 Prozent gesetzlich festzulegen, wird im
Bundesrat eine Mehrheit finden, weil nicht nur rot-grüne, grün-rote
und rot-rote Länder diesem Ansinnen zustimmen, sondern auch die
CDU-geführten Länder Saarland und Sachsen-Anhalt, in denen Große
Koalitionen regieren. Zwar ist die Quote damit noch lange nicht
beschlossene Sache, doch die Länderkammer zwingt den Bundestag, sich
dieses Themas anzunehmen – dann würde, so das Kalkül der rot-grünen
Opposition, der Riss, der in dieser Frage mitten durchs schwarz-gelbe
Regierungslager geht, im Wahljahr offen zu Tage treten. Ein Hauch von
Großer Koalition weht durch Berlin. Der frühere CSU-Chef Theo Waigel
schwärmt in höchsten Tönen über den Sozialdemokraten Peer Steinbrück
und traut ihm die Kanzlerschaft zu, Angela Merkel will eine Große
Koalition nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr nicht ausdrücklich
ausschließen und im Bundesrat, wo weder die schwarz-gelbe Koalition
noch die rot-grüne Opposition eine eigene Mehrheit haben, ist die
Annäherung von Union und SPD unübersehbar. Denn nicht nur bei der
Frauenquote droht der Regierung Merkel/Rösler heute eine Schlappe,
sondern auch beim umstrittenen Thema Mindestlohn. Ausgerechnet die
thüringische CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, die in
Erfurt einer Großen Koalition vorsteht und mit der SPD ebenso
erfolgreich wie geräuschlos regiert, drängt auf die Einführung eines
bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohnes für alle Branchen und
Regionen – und wird dabei von SPD- wie von CDU-Länderchefs
unterstützt. Die Mehrheit in der Länderkammer steht. Unter Angela
Merkel hat sich die CDU deutlich nach links bewegt, ihre pragmatische
Art kommt beim Wähler an, der gleichzeitig vom Dauerstreit in der
schwarz-gelben Koalition genug hat. Der Bundesrat, in dem es weder
Regierung noch Opposition gibt und in dem der vornehme Kammerton
vorherrscht, ist der ideale Ort, in Sachfragen zusammenzuarbeiten und
Gemeinsamkeiten auszuloten. Ganz ohne Koalitionsvertrag.

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