Das Simon-Wiesenthal-Center in Jerusalem, das
Laszlo Csatáry schon seit Jahren auf der Spur war, hatte den nunmehr
97-jährigen Greis ganz oben auf seiner Fahndungsliste. Csatáry wird
beschuldigt, 1944 als lokaler Polizeichef für die Deportation und den
Tod von 15 700 ungarischen Juden nach Auschwitz und weiteren 300 in
ein ukrainisches Lager verantwortlich zu sein. 1948 von der
kommunistischen Justiz in Abwesenheit zum Tode verurteilt, flüchtete
Csatáry nach Kanada, wo er bis zu seiner Ausweisung 1997 lebte.
Danach kehrte er in sein Heimatland zurück. Ob Csatáry jemals auf
einer Anklagebank sitzen wird, ist indes mehr als fraglich. Davor
schützt ihn nicht nur sein hohes Alter. Vor allem schützt ihn die
ungarische Justiz respektive die nationalkonservative Regierung. Von
der Staatsanwaltschaft in Budapest waren bislang nur Ausflüchte zu
hören. Ermittlungen seien schwierig, weil die Taten lange
zurücklägen, hieß es. Man ermittle vorerst nur „gegen unbekannt“.
Offenbar konnte Csatáry nach seiner Entlarvung ungehindert
untertauchen, jedenfalls gibt es keine Bestätigung der Behörden, dass
er in Gewahrsam genommen worden sei. Pfeilkreuzler (ungarische
Faschisten) haben unter dem Regime des Diktators Miklos Horthy 437
000 Juden nach Auschwitz deportiert oder ermordet. Ob kommunistische
Diktatur oder Demokratie nach 1989: Ungarn hat seine historische
Mitverantwortung am Holocaust bis heute nicht aufgearbeitet.
Stattdessen wird ein Horthy-Kult betrieben, der den einstigen
Hitler-Verbündeten zum Nationalheiligen hochjubelt. Premier Viktor
Orban äußert sich zu dem Thema nur selten, und wenn, dann
geschichtsverzerrend: Nach seiner Ansicht sind für den Holocaust
allein die Nazis verantwortlich, als hätte es keine ungarischen
Mittäter gegeben. In diesem politischen Klima ist ein Prozess gegen
einen Nazi-Verbrecher, der unweigerlich eine Vergangenheitsdebatte
über die Schuldfrage Ungarns auslösen würde, kaum denkbar. Zumal
Orban um die Wähler der mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden
Jobbik-Partei wirbt.
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