Badische Neueste Nachrichten: Schuss vor den Bug

Kein Zweifel, die Absage ist ein Schuss vor den
Bug Wladimir Putins. Ein sehr persönlicher Affront, obendrein einer,
den die Wortkünstler des Weißen Hauses gar nicht erst kleinzureden
versuchen mit allerlei Floskeln und Beschwichtigungen. Im Gegenteil.
Als Putin den Amerikanern im Mai 2012 einen Korb gab und bei einem
G-8-Treffen in der Waldidylle Camp Davids durch Abwesenheit glänzte,
legte Obamas Pressestab noch die akrobatischsten Verrenkungen hin, um
bloß nicht den Eindruck einer Krise entstehen zu lassen. Diesmal ist
es anders, diesmal lässt das Oval Office in geradezu brachialer
Offenheit wissen, für welche Zeitverschwendung man einen bilateralen
Gipfel mit dem russischen Präsidenten im Augenblick hält. Dass Putin
Obama den roten Teppich ausrollt und sich selber zu Böllerschüssen
als großer Weltstaatsmann inszeniert, ohne dabei über Substanz reden
zu wollen – diesen Gefallen wollen ihm die Amerikaner nicht tun.
Schon gar nicht jetzt, da Edward Snowden im Moskauer Exil lebt und
aufgebrachte Senatoren in Washington nach einer Retourkutsche rufen.
Bei allem Wirbel, es ist nicht so, dass sämtliche Gesprächskanäle auf
einmal verschüttet wären. Der Dialog auf Ministerebene geht weiter,
Anfang September reist Obama zur G-20-Konferenz nach St. Petersburg,
und natürlich wird er dort von Putin empfangen. Nur: Vier Jahre nach
dem angepeilten, mit zu viel Vorschusslorbeer bedachten „Neustart“
befinden sich Moskau und Washington im akutesten Konflikt der
Weltpolitik auf Kollisionskurs. Putin stützt die Assad-Dynastie in
Syrien, während Obama die Rebellen, wenn auch zögerlich, mit Waffen
beliefert. Die Konstellation erinnert durchaus an die
Stellvertreterkriege der Blockkonfrontation, als sich die Supermächte
zwar nicht direkt befehdeten, wohl aber auf den Nebenschauplätzen
Afrikas, Asiens und Lateinamerikas militärisch die Kräfte maßen.

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