Badische Neueste Nachrichten:Überfällige Neuordnung

Ein Versäumnis wird beseitigt, ein Geburtsfehler
behoben. Seit 2004 gibt es das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in
Berlin-Treptow, in dem Vertreter aller Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder zusammenarbeiten, ihre Erkenntnisse austauschen und
ihre Aktionen koordinieren. Doch bislang war die Arbeit der Experten
ausschließlich auf jene Bedrohung, die durch den islamistischen
Terrorismus ausgeht, beschränkt. Die zentral geführte
Anti-Terror-Datei, die die Erkenntnisse der Polizei wie der
Geheimdienste und Verfassungsschutzämter bündelt, listet einzig und
allein sogenannte islamistische Gefährder auf. Diese Beschränkung war
kurzsichtig und nicht nachvollziehbar. Spätestens seit Bekanntwerden
der furchtbaren Mordserie durch die Zwickauer Nazi-Zelle ist es nicht
mehr zu leugnen, dass es auch einen rechtsextremistischen Terrorismus
in diesem Lande gibt. Gleichzeitig offenbarte die Aufklärung der
NSU-Verbrechen erhebliche Defizite, eklatante Versäumnisse und
gewaltige strukturelle Probleme in der Sicherheitsarchitektur der
Republik. 36 Ämter und Behörden auf Bundes- und Landesebene wursteln
nebeneinander her, schotten sich gegenseitig ab, misstrauen einander,
halten Daten und Informationen zurück, beseitigen Akten oder halten
schützend ihre Hände über V-Leute, statt ihre Erkenntnisse
auszutauschen und ihre Informationen offenzulegen. Die Folge dieser
Geheimniskrämerei sind chaotische Verhältnisse. Die Einrichtung einer
zentralen Datei über rechtsextreme Gewalttäter und deren Hintermänner
nach dem Vorbild der islamistischen Anti-Terror-Datei ist überfällig
und notwendig. Terror ist eine Bedrohung, die es konsequent und
entschlossen zu bekämpfen gilt, egal von wem diese Gefahr ausgeht.
Und doch ist es mit dieser Verbunddatei allein nicht getan. Zum
einen, weil sie nicht erfasst, welcher Neo-Nazi von welcher Polizei-
oder Staatsschutzstelle als bezahlter V-Mann geführt wird. Solange
aber staatliche Stellen ihre schützende Hand über Neo-Nazis halten
und der Quellenschutz wichtiger genommen wird als alles andere,
behindert dies die Aufklärung. Zum anderen, weil die Zusammenführung
der Daten nichts an den verkrusteten Strukturen und dem Nebeneinander
der 36 rivalisierenden Sicherheitsbehörden ändert, die eifersüchtig
ihr Revier verteidigen und sich von niemandem in die Karten blicken
lassen wollen. Ein erster Versuch von Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich, die Verfassungsschutzämter neu zu strukturieren, ist am
Widerstand seiner Kollegen in den Ländern bereits gescheitert. Dieser
Egoismus macht Deutschland nicht sicherer.

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Klaus Gaßner
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