BERLINER MORGENPOST: Berlin braucht ein Drehkreuz Christine Richter zum Streitüber ein Nachtflugverb

Der Vorschlag sorgt für Wirbel: Der Präsident des
Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, fordert ein Nachtflugverbot von
22 bis 6 Uhr am künftigen Großflughafen BER in Schönefeld. Damit
spricht Flasbarth, der jetzt drei Monate lang mit seiner Behörde die
Flugrouten überprüft, vielen Menschen in Airport-Nähe aus dem Herzen.
Die Flughafengesellschaft, die politisch Verantwortlichen und die
Airlines sehen das jedoch ganz anders. Der Streit über ein solch
ausgedehntes Nachtflugverbot wird sicherlich noch einige Monate
andauern, denn erst Ende September will das Bundesverwaltungsgericht
in Leipzig über entsprechende Klagen von Brandenburger Gemeinden
verhandeln – und anschließend entscheiden. Leicht wird das nicht. Die
Sache selbst ist ja auch nicht einfach. Die Ruhe, erst recht die
Nachtruhe, ist ein hohes Gut. Dies gilt gerade in einer Großstadt, wo
tagsüber Lieferverkehr, privat genutzte Autos, Baustellen,
Straßenbahnen und Busse – natürlich die Menschen selbst – Lärm
verursachen. Es ist deshalb sehr verständlich, dass die Berliner und
Brandenburger, über deren Häuser die Flugzeuge donnern, möglichst
lange in der Nacht ihre Ruhe wünschen. Sie müssen ausreichend
schlafen können – auch mal bei offenem Fenster. Auf der anderen Seite
ist da die Flughafengesellschaft, die mit dem Airport Geld verdienen
will und muss. Die BER-Betreiber haben einen Bedarf von insgesamt 103
Flugbewegungen – also Starts und Landungen – in der Zeit von 22 Uhr
bis Mitternacht und von 5 bis 6 Uhr ausgemacht. Ist eine solche Zahl
bei einem Airport, der erst noch zum Drehkreuz werden muss,
realistisch oder nur Wunschdenken? Diese Fragen wird das Gericht
prüfen müssen, im Interesse der Gesundheit der Menschen. Aber auch
das gehört zur Wahrheit dazu: Die Richter werden die Nachtruhe
sicherlich nicht weiter fassen als beim Flughafen Tegel, zumal dieser
mitten in der Stadt liegt. In Tegel herrscht Ruhe von von 23 bis 6
Uhr. Und auch das müssen all diejenigen, die jetzt eine längere
Nachtruhe verlangen, wissen: Ein Flughafen ist ein Flughafen – erst
recht ein Großflughafen, wie er von den Ländern Berlin und
Brandenburg und der Bundesregierung beschlossen wurde. Mit diesem
Infrastrukturprojekt, dem größten in der Region, soll der
Wirtschaftsstandort gestärkt werden, Verkehr nach Berlin geholt und
vor allem neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ziel ist ein
internationales Drehkreuz, was bedeutet, dass die Flieger
beispielsweise aus Asien oder den USA auch spätabends noch in
Schönefeld landen können – und die Menschen von dort dann weiter in
andere Städte kommen. Dieses Ziel zu erreichen wird schon schwierig
genug, denn Frankfurt ist in Deutschland der zentrale
Umsteigeflughafen für Menschen aus aller Welt, Frankfurt brummt im
wahrsten Sinne des Wortes und wird gerade noch weiter ausgebaut. Je
länger das Nachtflugverbot in Berlin dauert, umso geringer die
Chance, ein Drehkreuz aufzubauen. Dürfen in der Zeit von 22 bis 6 Uhr
gar keine Flugzeuge am BER abheben, kann man den Plan eines solchen
Drehkreuzes sofort aufgeben. Das aber kann keiner wollen.

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