Wer hätte das gedacht: In Berlin ist die Zahl der
Einwohner im vergangenen Jahr so stark gestiegen wie seit der
Wiedervereinigung nicht mehr. Mehr als 3,5 Millionen Menschen leben
inzwischen in der deutschen Hauptstadt. Und dies, weil mehr Menschen
aus anderen Ländern wie Polen oder Spanien nach Berlin gezogen sind,
weil es im vergangenen Jahr erstmals wieder einen Geburtenüberschuss
gab. Das sind gute Nachrichten für die Stadt. Wie attraktiv Berlin
ist, lässt sich in diesen Tagen an vielen Orten erleben. Zur
Modemesse Bread & Butter strömen Geschäftsleute, Designer und
Modeinteressierte nach Berlin, zur parallel stattfindenden
Fashion-Week zusätzlich die Models und Prominenten. Für die Berliner
Taxifahrer sind diese Tage so umsatzstark wie Weihnachten oder
Silvester. Viele Restaurants in der Stadtmitte und den Szene-Vierteln
sind aus-, die Hotels und Hostels gut gebucht. Das heißt: Von der
Attraktivität Berlins profitiert die Wirtschaft in der Stadt, vor
allem der Dienstleistungssektor. Und manch einer entscheidet sich,
hierzubleiben. Wer es sich – wie der ein oder andere Prominente –
leisten kann, nimmt sich eine Zweitwohnung. Wer jung und flexibel ist
und einen Studiums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz in Berlin findet,
bleibt hier. Manchmal für ein paar Monate, meist für Jahre. Das hilft
einer Stadt, die bis vor 23 Jahren geteilt oder wie der Westteil
eingemauert war, die überaltert war und viele leistungsstarke
Menschen in den Jahren vor 1989 verloren hatte. Nach dem Fall der
Mauer hatten die politisch Verantwortlichen davon geträumt, dass bis
2010 die Einwohnerzahl in Berlin auf fünf bis sechs Millionen wachsen
würde. Der Senat hatte deshalb teure Entwicklungsgebiete geplant und
begonnen – wie in der Rummelsburger Bucht oder an der Wasserstadt
Oberhavel. Diese Träume erwiesen sich als falsch und kosteten das
Land Berlin allein bei den fünf Entwicklungsgebieten mehr als 1,1
Milliarden Euro, aber inzwischen werden die Wohnungen in Berlin
wieder rar. Nun muss der Senat wieder über Wohnungsbau nachdenken,
einen Plan für die Entwicklung der Stadt im Zentrum und in den
Randgebieten machen. So interessant Berlin für Touristen – in diesem
Jahr wird wohl die Marke von 24 Millionen Übernachtungen erreicht
werden – oder für Zuzügler ist, so klar ist auch, dass die
Veränderung Berlins nicht ohne Probleme verläuft. Seit Monaten hat
beispielsweise die Zahl der Ferienwohnungen im Stadtzentrum stark
zugenommen, was gleichzeitig bedeutet, dass es weniger Wohnungen für
die Berliner gibt. Die Mieten sind in Friedrichshain-Kreuzberg,
Mitte, Prenzlauer Berg oder Charlottenburg sprunghaft gestiegen,
weniger zahlungskräftige Berliner werden in die Randbezirke
verdrängt. Hier muss der Senat wohl regulierend eingreifen und zum
Beispiel Zweckentfremdung verbieten. Die Stadt lebt von einer guten
Durchmischung – und bleibt damit attraktiv für Menschen, die zum
Arbeiten und Leben nach Berlin kommen wollen. Sie sind willkommen.
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