„Geschafft“ verbreitete EU-Justizkommissarin
Viviane Reding am Mittwochmorgen in gleich 20 Sprachen über Twitter.
Bis 2020 müssen zwei von fünf Aufsichtsratsposten börsennotierter
Unternehmen weiblich besetzt sein, legte die EU-Kommission nach
langen Diskussionen am Mittwoch fest. Wer bei gleicher Qualifikation
nicht das unterrepräsentierte Geschlecht bevorzuge, müsse bald mit
Sanktionen rechnen. Komplett ausgefeilt ist der Gesetzesentwurf noch
nicht, aber so viel ist jetzt schon sicher: Zumindest in den
Kontrollgremien ist die Frauenquote damit kaum mehr aufzuhalten.
Geschafft ist es also. Aber was ist damit erreicht? Wenn in den
Aufsichtsräten Frauen eine größere Rolle spielen, werden dann auch
die Unternehmen „weiblicher“? Und was bedeutet das? Eine Frau als
Chefin heißt nicht zwingend, dass die Kommunikation besser
funktioniert, auch wenn man das Frauen oft nachsagt. Auch dass Frauen
einfühlsamer sind, ist ein Klischee. Eine Frau, die es nach oben
geschafft hat, fördert nicht zwangsläufig andere Frauen. Eine Chefin
eines großen Berliner Unternehmens, die nicht namentlich genannt
werden wollte, erzählte einmal, dass man ihr nahegelegt hatte, sich
als Stellvertreter einen Mann zu suchen. „Jetzt aber nicht direkt
noch eine Frau“, hieß es.
Nicht alle sind begeistert von Redings Vorstoß. Der Zwang zur
Quote hat einen nachhaltig schlechten Ruf. In Norwegen, wo die
Frauenquote seit 2008 Gesetz ist, ist keine der Befürchtungen
eingetreten, die jetzt auch auf EU-Ebene vorgebracht wurden. Es haben
sich genügend qualifizierte Frauen für die Posten gefunden, die
Kompetenz der Unternehmen hat nicht gelitten. Trotzdem strebt der
norwegische Wirtschaftsverband an, die Quote wieder abzuschaffen,
weil sie die unternehmerische Freiheit behindere.
Frauen sind nicht die besseren Menschen. Auch das sieht man an
Norwegen: Die positiven Effekte, die sich einige Befürworter der
Quote erhofften, sind ebenfalls nicht eingetreten. Eine Firma ist
nicht notwendigerweise wirtschaftlich erfolgreicher, nur weil die
Männerclubs nicht mehr alleine herrschen.
Und trotzdem hat Viviane Reding etwas Entscheidendes geschafft.
Ihr Entwurf wird dazu beitragen, dass die Diskriminierung von Frauen
weiter abnimmt. Je mehr über die Quote gesprochen wird, desto
deutlicher wird, dass nichts dagegen spricht, Frauen zu befördern. Es
wird schwieriger für die Chefs, die weiterhin Männer bevorzugen,
Ausreden zu finden. Ein EU-Gesetz könnte dafür sorgen, dass einige
ihr Verhalten den Mitarbeiterinnen gegenüber überdenken werden. Dann
fällt ihnen vielleicht auch auf, dass ein höherer Frauenanteil das
Betriebsklima verbessert. Je mehr Frauen in einer Runde sitzen, desto
weniger Beifall gibt es für Macho-Sprüche, unter denen ja auch einige
Männer leiden. Da derzeit hauptsächlich Frauen versuchen, Beruf und
Familie zu vereinbaren, wird mit mehr Frauen an der Spitze auch
langfristig die männliche Präsenzkultur weniger wert werden. Dann
wird wichtiger sein, was einer leistet, und nicht, wie lange er im
Büro gesessen hat. Allein schon deswegen war Mittwoch ein guter Tag
für Europa.
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