Sie treiben sich auf der Straße rum und ziehen
andere Kinder ab. Sie knacken, gerade mal zwölf Jahre alt, ihr erstes
Auto. Sie prügeln sich und verkaufen Drogen. Sie dröhnen sich mit
Alcopops zu, daddeln den ganzen Tag am Computer oder denken nur an
Klamotten, Sex und Partys. Die Schule ist ihnen egal und was die
Erwachsenen sagen, sowieso. Ausbildung, Arbeit: wozu? Es gibt doch
Hartz IV. So denken und handeln die Kinder und Jugendlichen von heute
– glaubt man den täglichen Meldungen in den Medien, zweifelhaften
Jugendreports und reißerischen TV-Doku-Soaps. All das sind herrlich
alarmierende Vorlagen für Vorträge über die Verkommenheit der „Jugend
von heute“. Und es ist der Stoff, aus dem Eltern-Albträume sind. Wer
kann, verfrachtet seine Kinder in eine Privatschule und verplant die
Freizeit des Nachwuchses mit kostspieligen Aktivitäten, um ihn vor
schlechten Einflüssen zu schützen. Doch die Jugend ist offenbar
besser als ihr Ruf. Die negativen Nachrichten bilden nur – zugegeben
schlimme und bekämpfenswerte – Randerscheinungen ab. Dies legt
zumindest die neue Shell-Jugendstudie nahe, die ein ganz anderes,
hoffnungsvolles Bild der jungen Generation zeichnet. Mehr als 2500
Heranwachsende zwischen zwölf und 25 Jahren wurden befragt, und diese
geben sich in der Mehrheit optimistisch, engagiert, leistungsbereit,
werteorientiert und – man höre und staune – der Familie eng
verbunden. Nicht nur, dass sich fast 70 Prozent der Jugendlichen
eigene Kinder wünschen. Zudem bezeichnen neun von zehn Jugendlichen
ihr Verhältnis zu den eigenen Eltern als gut. Und fast drei Viertel
aller Jugendlichen würden ihre eigenen Kinder so erziehen, wie sie es
selbst erlebt haben. Ob man von den älteren Semestern, die gern mit
Blick auf die Jugend den Untergang des Abendlandes beschwören, in den
eigenen Flegeljahren jemals ein solches Bekenntnis gehört hätte?
Daran zweifeln darf man allemal. Denn irgendwie gehört das alles ja
zum Erwachsenwerden dazu: die Opposition gegen die „Alten“, das
Ausloten von Grenzen, das Über-die-Stränge-Schlagen und die
Leistungsverweigerung. Und auch die, die es schamlos übertrieben
haben, hat es immer schon gegeben. Die neue Erhebung stimmt froh.
Aber warum braucht es immer wieder solche Studien, um den Blick
zurechtzurücken? Denn man könnte das Positive auch im Alltag
entdecken: die Schüler, die in ihrer Freizeit Müll sammeln, die
Kinder, die andere Kinder bei Streitigkeiten und den Hausaufgaben
unterstützen, die Jugendlichen, die nach der Uni einsame Senioren im
Altenheim besuchen. Wer mehr davon will, sollte selbst mit gutem
Beispiel vorangehen. Schließlich sind Kinder und Jugendliche genauso
Lemminge wie Erwachsene: Sie orientieren sich am Verhalten der
anderen. Und je gebildeter und privilegierter sie sind, desto
zufriedener und aktiver sind sie. Auch das ist ein Fazit der
Shell-Studie, das kaum überrascht – aber zum Handeln anregen sollte.
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