Ob der gestrige Sonntag im Hamburger Rathaus das
Etikett „Schicksalstag“ verdient, darf man bezweifeln – die
Stadtgeschichte der Elbmetropole hält dafür andere Kalenderdaten
parat. Aber ein Tag mit einschneidenden Konsequenzen ist dieser 18.
Juli ganz sicher, und das aus mehreren Gründen. Erneut geht der
Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden mit dem weithin beliebten Ole von
Beust ein profilierter Länderchef ihrer Partei von der Fahne. Und
wieder ist es einer von denen, die es wagten, das Jahr um Jahr
hocheffiziente Machtsystem Merkel bei aller grundsätzlichen Loyalität
auch mit offener Kritik, zuletzt an Merkels Führungsstil,
herauszufordern. Für die Effizienz dieses Systems ist das durchaus
notwendig. Nur kann die Kanzlerin damit nicht besonders gut umgehen.
Solche personellen Verluste sind indessen verkraftbar, solange es
sich um Einzelfälle handelt. Wenn daraus aber ein Gesetz der Serie
wird, ist Gefahr im Verzuge. Genau da liegt für Angela Merkel das
Problem. Als sie und ihr damaliger Generalsekretär Ronald Pofalla
nach der Bürgerschaftswahl 2008 die Hamburger CDU-Führung massiv
ermutigten, die schwarz-grüne Karte zu spielen, ging es ihnen nicht
um Hamburg, sondern um eine Machtoption im Bund. Hamburg sollte ein
Testlauf sein. Ole von Beust hatte darin auch für sich persönlich
eine Perspektive gesehen. Das ist nun vorbei. Mit ihm verlässt der
Lotse, der Garant und Stabilisator der schwarz-grünen Rathausallianz
das Koalitionsschiff. Für dessen Manövrierfähigkeit ist das schlimm
genug. Das große gemeinsame Projekt sollte für dieses Bündnis die
Schulreform mit der Einführung der sechsjährigen Grundschule sein.
Ole von Beust hatte seinen Verhandlungspartnern von der GAL dieses
hoch umstrittene Vorhaben zugestanden, und auch das mit Rückendeckung
aus Berlin, ohne seine eigene Parteibasis vorher in dieses Wagnis
einzubeziehen. Das war ein schwerer Fehler, und der rächt sich jetzt.
Der gestrige Volksentscheid über die Einführung der Primarschule hat
das ganze Ausmaß des Widerstandes gegen dieses Projekt deutlich
gemacht. Das ist nicht nur ein Signal für die vier
Bürgerschaftsfraktionen in der Hansestadt. Es sollte auch der
CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und ihren Strategieplanern zu denken
geben. Es geht darum, was die CDU in einem Ballungszentrum wie
Hamburg ihrer Klientel zumuten darf – und was nicht. Wenn Ole von
Beust am 25. August seinen Schreibtisch räumt, kann er das mit einer
Gewissheit tun: Er hat die in einem halben Jahrhundert
SPD-Dauerherrschaft verkrustete Politik in Hamburg wieder beweglich
und damit reaktionsfähig gemacht. Seinem designierten Nachfolger
Christoph Ahlhaus hinterlässt er trotzdem eine Reihe politischer
Großbaustellen – von der Schulreform über die angeschlagene HSH
Nordbank bis zur Elbphilharmonie, die eines gemeinsam haben: Ole von
Beusts Abgang kann für den künftigen Bürgermeister wirklich zum
Schicksalstag werden.
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