Klar, jetzt kann man wieder auf den
Gesundheitsminister draufhauen. Von links, von rechts, von oben, von
unten. Immer feste druff. Jeder hat schließlich was zu meckern am
neuen Gesundheitsreförmchen, sogar die eigenen Leute. Zu zimperlich,
zu ungerecht, zu arbeitnehmerfeindlich, zu arbeitgeberfeindlich, zu
ärztefreundlich, zu bürokratisch, zu, zu, zu. Stimmt wahrscheinlich
alles. Und genau darum liegt der Verdacht nahe, dass Philipp Rösler
seine Sache unterm Strich und zum Teil gegen seinen eigenen, sehr
viel ungestümeren Willen gar nicht so schlecht gemacht hat. In der
Gesundheitspolitik, die zu Recht vermintes Terrain ist, sind die
legendären merkelschen Trippelschritte nämlich allemal die richtige
Gangart. Wer hier den großen Wurf einfordert oder ankündigt, geht
zumindest das Risiko ein, spielerisch mit Leben und Wohlergehen
kranker Menschen umzugehen. Mal eben das System umzudrehen, und sei
es auch vom Kopf auf die Füße, verbietet sich. Umsicht ist angesagt,
Vorsicht, Sorgfalt und Finanzierungssicherheit. Jeder, der bei uns
krank wird, muss sicher sein, dass alles getan wird, um genau dieses
eine Leben möglichst lange zu erhalten, um genau diese eine Krankheit
möglichst schnell in den Griff zu bekommen. Dieses, aus dem Artikel
zwei Absatz zwei des Grundgesetzes abzuleitende Recht jedes Einzelnen
ist teuer, keine Frage, aber es zu erhalten und in die jeweilige
Wirklichkeit umzusetzen muss oberstes Ziel jeder Gesundheitspolitik
sein. Deshalb ist es zunächst einmal richtig, dass Röslers Gesetz
beides macht. Es sichert kurzfristig die Finanzierung der
gesetzlichen Krankenversicherung, und es stellt sie langfristig auf
ein zweites Bein. Das behutsame Umsteuern von einer reinen
Beitragsfinanzierung auf eine Mischfinanzierung aus Beitrag und
Prämie (Zusatzbeitrag) ist richtig, nötig und Voraussetzung dafür,
die gesellschaftliche Akzeptanz des staatlichen Gesundheitssystems
dauerhaft zu erhalten. Die Abkehr von der bisher üblichen Regelung,
nach der die Sozialkosten des Gesundheitssystems allein von den
gesetzlich Versicherten und den Arbeitgebern getragen werden, war
insofern überfällig. Eine Steuerfinanzierung ist da allemal die
gerechtere Lösung. Zu ihr, das vergessen die Rösler-Kritiker gerne,
werden auch die Privatversicherten beitragen. Allein für diese
kleine, aber doch prinzipielle Kurskorrektur hat sich Röslers Reform
gelohnt. Darüber hinaus lässt sich natürlich bombig darüber streiten,
ob der Gesundheitsminister Ärzte, Krankenkassen, Pharma-Konzerne,
Krankenkassen und Apotheken ausreichend kurzgehalten hat mit seinen
finanziellen Maßgaben. Wer immer aber an dieser empfindlichen Stelle
rigidere Methoden empfiehlt, möge sich zurückhalten, wenn demnächst
mal wieder einem übernächtigten Chirurgen ein Kunstfehler unterläuft,
Oma im Krankenhaus eine Stunde auf die Schwester warten muss oder
eine Hausarztpraxis dichtmacht.
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