Bilanz des Irak-Krieges 2003 bis 2010: 230 getötete Medienmitarbeiter / neuer ROG-Bericht

Seit dem Einmarsch der US-geführten Truppen im Irak
im März 2003 sind in dem vorderasiatischen Land 230 Medienmitarbeiter
getötet worden. Diese Bilanz zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) in
einem am 7. September veröffentlichten Bericht zur Entwicklung der
Pressefreiheit im Irak. In der Studie wird der Zeitraum von Beginn
der Invasion der US-Koalition am 20. März 2003 bis zum Rückzug der
letzten Kampfeinheit der US-Armee aus dem Land am 19. August 2010
untersucht.

Der Sturz des ehemaligen Machthabers Saddam Hussein nach Beginn
der „Operation Iraqi Freedom“ bedeutete zwar größere Freiräume für
Journalisten und Medien im Irak. Aber die folgenden politischen und
ethnischen Auseinandersetzungen verursachten auch ein extremes Ausmaß
an Gewalt, die sich auch gegen Medienvertreter richtete. „Bis heute
liegt die Zahl der ermordeten Journalisten und Medienmitarbeiter bei
230″, heißt es in dem Bericht. „Das übersteigt die Zahl der getöteten
Reporter während des Vietnamkrieges.“ Während des Vietnam-Kriegs von
1955 bis 1975 kamen 63 Journalisten ums Leben.

Rund 70 Prozent der Journalisten starben bei gezielten Anschlägen
und Attacken – eine weitaus höhere Rate als bei vorangegangenen
Kriegen. In mehr als 80 Prozent der Fälle kamen die Täter aus den
Reihen bewaffneter Gruppen, die im Widerstand zur US-Koalition und
der irakischen Regierung stehen. Für rund zehn Prozent der Todesfälle
waren die internationalen Besatzungstruppen verantwortlich.

Die meisten Todesopfer, fast 90 Prozent, waren irakische
Medienvertreter. Vermutlich spielten in vielen Fällen die politische
Ausrichtung oder Nähe zu ethnischen Gruppen der Medien, für die sie
arbeiteten, eine Rolle. Vor allem staatliche Medien wurden zur
Zielscheibe von Gewalt: Sie werden von militanten oppositionellen
Gruppen häufig verdächtigt, im Dienst der US-amerikanischen
Streitkräfte zu stehen und deswegen als Verräter oder Feinde
betrachtet.

ROG verzeichnete in den vergangenen Jahren einen weiteren
Negativrekord im Irak. Mindestens 93 Medienmitarbeiter wurden im
Untersuchungszeitraum des Berichts entführt. 47 von ihnen wurden
wieder frei gelassen, 32 ermordet, das Schicksal weiterer 14
entführter Medienschaffender bleibt ungewiss.

Schließlich dokumentiert ROG in dem Bericht zahlreiche Festnahmen
von Journalisten. US-amerikanische Soldaten verhafteten rund 30
Journalisten, die irakischen Behörden nahmen mehrere Dutzend Reporter
fest. Die meisten Journalisten wurden unter dem Verdacht verhaftet,
sie kollaborierten mit aufständischen Gruppen. Aus Sicht von ROG
handelte es sich häufig um willkürliche Festnahmen, deren
Rechtmäßigkeit nicht ausreichend überprüft wurde.

Das jüngste Opfer der Gewalt im Irak war in dieser Woche der
35-jährige Fernsehmoderator Riad el Sarai, der für den staatlichen
Fernsehsender „El Irakija“ gearbeitet hatte. Er wurde von unbekannten
bewaffneten Männern am 7. September erschossen, als er am Morgen sein
Haus in Bagdad verließ. ROG verlangt die umgehende Einleitung von
Ermittlungen.

Lesen Sie hier den 13-seitigen ROG-Bericht zur Entwicklung der
Pressefreiheit im Irak: http://bit.ly/ROG_Irak-Bericht

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