Lassen wir die Politik bei Seite und wenden uns dem zu, was „Das Erkel“ und die Ungarische Staatsoper in Budapest auf den Bühnen zu bieten haben. Nach wie vor lohnt es sich unbedingt für den Kulturtouristen, Budapester Opernabende zu besuchen. Allerdings muss er sich schon im Vorhinein um einen Platz in den Häusern bemühen. Dazu ist das Online-Portal der Oper (www.opera.hu) auch in englischer Sprache bestens gerüstet. Vorinformationen über Stücke und Interpreten, Aufführungstage und Kartenreservierung sind leicht zu finden, gut gestaltet und einfach zu bedienen. Hinzu kommen zweisprachige Broschüren (Ungarisch/Englisch) mit ausgezeichneten Hintergrundinformationen, sowie der übliche (kostenlose) Besetzungsplan des jeweiligen Abends. Gut gerüstet kann der Opernfreund sich dann ins lohnend ungarische Opernleben stürzen.
Auch die neueren Komponisten des Landes haben Einzug in die heiligen Hallen des ungarischen Opernbetriebs gehalten, Kodály und Bartók stehen regelmäßig auf dem Spielplan. Ein Komponist der jüngeren Generation, György Selmeczi, feierte eben mit den „Spiritisten“ ein volles Haus einer Oper nach Alexander Blok „Die Schaubude“. Ein lyrisches Drama mit psychologischem Hintergrund, ein „Kampf der Gegensätze in einer Person. Pierrot und Harlekin, beide gleichermaßen auf der Suche nach dem hellen Leben ? verkörpert von Kolombina ? sind Projektionen der inneren Spaltung des lyrischen Ichs“ (Hermine Haidvogel), eingepackt in eine ebenso zwiespältige Musik, die sich äußerst langsam voran bewegt und entwickelt. Auch hier wieder steht ein Werk eines Rumänien stämmigen Ungarn aus Cluj, einer Stadt mit starker künstlerischer Ausstrahlung aus Rumänien und einem Universitätsbetrieb von internationalem Ruf, auf der Bühne der Nationaloper. Die zumeist ungarischen Besucher begeisterten sich für diese Oper in der Inszenierung von Eszter Novák. Musikkritiker sahen dies eher verhalten, die ungeteilte Zustimmung galt den ausgezeichneten Sängern, voran Bariton Krisztián Cser in seiner Darstellung des Herzogs war und Sopranistin Polina Pasztircsák in der Rolle der Columbina.
Ein hervorragendes Orchester, ausgezeichnete Stimmen und großzügige Produktionen, im Sinne der Wiener Staatsoper mit Blick auf traditionelles Publikum und vor allem den regen Zustrom internationaler Kulturtouristen, so bieten beide Budapester Häuser ein überreiches tägliches Angebot: Johann Strauß, Verdi, Donizetti, Puccini im Januar, erweitert durch Mozart, Rossini und Boito im Februar, abgerundet durch Lehár und Janácek im März und immer wieder einmal Ferenc Erkel, György Ránki, Kacsóh Pongrác aus Ungarn ? eine gute Mischung.
Als Beispiel für gelungene, eher traditionelle, aber handwerklich ausgezeichnete Arbeit, sei die „Turandot“ Inszenierung von Balács Kovalik von 1997 genannt, ein Jugendwerk des Regisseurs, zeitweise künstlerischen Leiters der Oper, die er vor einigen Jahren nicht ganz freiwillig verließ, um sich unbeeinflusst zeitgenössischen Inszenierungen zu widmen. Er steht zumindest wieder auf dem Spielplan und soll auch bald wieder neu inszenieren, was dem Haus in internationalem Kontext sicher gut bekommen kann. Bei diesem Repertoirestück beeindruckt heuer der Koreaner Lee Jeong-Won als Calef .
Ein Ausflug in das Ballett der beiden Häuser zeigt den großen Besucheranteil ausländischer, besonders asiatischer Besucher. Tschaikowskys Onegin in einer John Cranco Choreografie wird frenetisch gefeiert. Dem Ensemble tanzender Federn gleich, weiß man nicht, wem mehr Applaus gebührt, den Solotänzern oder dem ausgezeichnet geführten Corps de Ballet. Cranco?s Werk entspricht voll dem kommerziellen Gedanken und auch Muss des Opernhauses. Und es tauchen neben einem Nussknacker immer einmal wieder neuere, zeitgenössischere Ballette auf dem Spielplan auf.
Im Mai/Juni diesen Jahres nun steht aus Anlass des 150. Geburtstags von Richard Strauss ein Festivalzyklus mit Arabella, Ariadne auf Naxos, Elektra, Die Frau ohne Schatten, Salomé und dem Rosenkavalier an. Hier können beide Häuser zeigen, inwieweit sie den Bogen zu spannen vermögen zwischen traditionellem und zeitgenössischem Operndasein in Ungarn. Im Sinne der Idee, Budapest wieder zu einer internationalen „Stadt der Musik und Kunst“ zu etablieren, wie es vor 100 Jahren einmal der Fall war, es mit Wien gleichzutun, ist man auf einem guten Weg. „Die synergetischen Kräfte der Hauptstadt mit Oper, Liszt Akademie, der wiedereröffneten Redoute und dem Palast der Künste sollen gebündelt werden, die Theater, Tanz, Fotografie und Architektur mit Auftritten internationaler Stars und Ensembles kombiniert, um sichtbar voran zu schreiten auf dem Weg zum frischen Image der Stadt“, so der Chef der neu etablierten Budapest Kulturplattform, Csaba Káel, Generalmanager des Palast der Künste. Im April bereits sollen diese Ansätze beim Budapest Frühlingsfestival 2014 fruchtbringend und Tourismus fördernd in Erscheinung treten. (Dieter Topp)