Der Tagesspiegel: Vettels Entdecker: „Ich wusste 1997: Der wird Weltmeister“

Gerhard Noack, Entdecker und Förderer von Sebastian
Vettel und Michael Schumacher, sieht viele Parallelen zwischen dem
neuen und dem alten Formel-1-Weltmeister. „Ich war spätestens 1997
davon überzeugt, dass das der neue deutsche Formel-1-Weltmeister wird
nach Michael“, sagte Noack im Gespräch mit dem Berliner
„Tagesspiegel“. „Michael war zu der Zeit für jeden jungen Kartfahrer
das Idol, auch für Sebastian. Es war für mich schon eine Berufung,
ihn da hinzubringen.“ Vom Fahrerischen her zeichne den 21-Jährigen
neuen Champion aus, dass er „wie Michael immer mit Situationen
zurechtgekommen (ist), wo ein anderer vielleicht gepatzt hätte.“
Vettel sei ein bodenständiger Mensch, frei von Allüren. „Seine größte
Stärke ist, dass er nie aufgibt, wie Michael. Er hat einen
ungebrochenen Willen, er fordert bei allem Revanche und lernt auch
aus Fehlern.“ Auf die Frage, ob Schumacher Vettel unterstützt habe,
sagte Noack, „nein, Michael hat damit gar nicht groß etwas zu tun
gehabt. Die kennen sich, ja, und die Parallelen waren immer da, aber
eine Unterstützung von Michaels Seite haben wir leider nie erlebt. Da
war nichts. Michael war zu der Zeit selber noch ein erfolgreicher
Formel-1-Fahrer und war viel mit sich selber beschäftigt. Er hat sich
da vielleicht mal ein Kart-Rennen angesehen, aber er hatte nicht
wirklich Zeit, sich um die Nachwuchsförderung zu kümmern.“ Alle
Kontakte, die gemacht worden seien, sei es mit Red Bull oder mit BMW,
„sind über uns gelaufen“. Doch finanziell profitiert habe er
persönlich nicht: „Wir haben kein Geld bekommen, und das möchte ich
auch nicht haben. Denn dann ist es wieder Geschäft und dann macht es
mir selber vielleicht keinen Spaß.“ Und weder Schumacher noch Vettel
„waren oder sind darauf ausgerichtet, mit Formel 1 viel Geld zu
verdienen. Sebastian hat nie drüber nachgedacht, ob er mit Motorsport
viel Geld verdienen kann. Er wollte immer nur Rennen gewinnen, und
Michael war genauso in den jungen Jahren.“

Das vollständige Interview im Wortlaut:

Herr Noack, haben Sie am Sonntag den Triumph von Sebastian Vettel
gesehen? Natürlich. Ich war im Hotel, weil ich noch einen Termin
hatte, und ich habe mir dann erlaubt, die Minibar zu killen und mir
den einen oder anderen Drink genehmigt. Haben Sie schon mit Vettel
reden können? Nein. Aber wir haben SMS geschrieben, und ich habe mit
den Eltern gesprochen. Wenn er morgen das Schlimmste hinter sich hat,
dann kann man vielleicht auch mal vernünftig mit ihm reden.
Spätestens am 27. sehen wir uns sowieso beim „Race of Champions“ in
Düsseldorf und dann werden wir die Siegesfeier nachholen. War es für
Sie auch ein persönlicher Triumph? Sie haben Vettel als Kind auf der
Kartbahn in Kerpen entdeckt. Ja, mit Sicherheit. Ich habe wirklich
sehr viel Zeit und Kraft reingesteckt und zehn Jahre versucht, für
ihn die Wege zu ebnen, damit er immer zur richtigen Zeit den
richtigen Ansprechpartner hatte. 1997 habe ich sogar mein Geschäft
verpachtet, um mehr Zeit zu haben für Sebastian. Deswegen ist das
dann natürlich ein bewegender Moment, wo man sagt: Ja, die
Investition hat sich doch gelohnt. Der Erfolg ist das Größte, was man
zurückkriegen kann. Wann wussten Sie, dass Sie den kommenden
Weltmeister vor sich haben? Ich war spätestens 1997 davon überzeugt,
dass das der neue deutsche Formel-1-Weltmeister wird nach Michael. Er
hatte einfach so viele Parallelen zu Michael. Michael war zu der Zeit
für jeden jungen Kartfahrer das Idol, auch für Sebastian. Es war für
mich schon eine Berufung, ihn da hinzubringen. Wie erkennt man ein
großes Talent? Schwierig zu sagen. Das ist so ein bisschen
Bauchgefühl. Man muss einen Jungen wirklich sehr lange beobachten und
sehen, wie er arbeitet, wie er sich gibt. Heute zählt ja auch mehr
dazu als nur gutes Fahren. Es ist auch das Erscheinungsbild und ob
man ihn vermarkten und bei Sponsoren unterbringen kann. Das passte
bei Sebastian hervorragend. Und vom Fahrerischen her ist er wie
Michael immer mit Situationen zurechtgekommen, wo ein anderer
vielleicht gepatzt hätte. Was zeichnet Vettel noch aus? Er ist sehr
bodenständig, das liegt, glaube ich, in der Familie. Die war immer
mit dabei, Vater, Mutter, Schwester, bei jedem Rennen. Da hat man
nicht im Hotel gewohnt, sondern im Wohnmobil, und das prägt einen
jungen Kerl natürlich. Er hatte auch nie Allüren, die hätten wir ihm
auch sehr schnell abgewöhnt. Er ist ein lieber, lustiger Kerl, der
sehr gut mit allem umgehen kann. Ja, das ist einfach Sebastian. Was
ist seine größte Stärke, was seine größte Schwäche? Seine größte
Stärke ist, dass er nie aufgibt, wie Michael. Er hat einen
ungebrochenen Willen, er fordert bei allem Revanche und lernt auch
aus Fehlern. Die macht jeder, und da sind ja in diesem Jahr doch ein
paar gewesen, aber dann ist er auch bereit, drüber nachzudenken, wo
der Fehler liegt. Er analysiert die Rennen sehr genau, das hat
Michael auch immer gemacht. Und beide verstehen von der Technik viel.
Eine richtige Schwäche von Sebastian fällt mir nicht ein. Vielleicht
hat er sie immer verheimlicht vor mir oder er hat keine, ich weiß es
nicht. Hat Schumacher Vettel auf Ihre Bitte hin tatsächlich
unterstützt, wie es immer heißt? Nein, Michael hat damit gar nicht
groß etwas zu tun gehabt. Die kennen sich, ja, und die Parallelen
waren immer da, aber eine Unterstützung von Michaels Seite haben wir
leider nie erlebt. Da war nichts. Michael war zu der Zeit selber noch
ein erfolgreicher Formel-1-Fahrer und war viel mit sich selber
beschäftigt. Er hat sich da vielleicht mal ein Kart-Rennen angesehen,
aber er hatte nicht wirklich Zeit, sich um die Nachwuchsförderung zu
kümmern. Alle Kontakte, die gemacht worden sind, sei es mit Red Bull
oder mit BMW, sind über uns gelaufen. Haben Sie eigentlich von Ihren
beiden Entdeckungen auch profitiert? Wir sind achtfacher Weltmeister
(lacht). Und abseits dieser ideellen Entlohnung? Wir haben davon
finanziell absolut nicht profitiert, wenn Sie das meinen. Wir haben
kein Geld bekommen, und das möchte ich auch nicht haben. Denn dann
ist es wieder Geschäft und dann macht es mir selber vielleicht keinen
Spaß. Ich erwarte da auch nicht wirklich etwas. Dann sind Sie
Überzeugungstäter? Ja, man muss eine Berufung haben. Das kann kaum
einer verstehen. Wenn zu mir ein junger Kerl kommt, frage ich ihn:
Warum möchtest du denn Formel-1-Fahrer werden? Wenn er mir dann
antwortet, weil man da viel Geld verdienen kann, ist es der Falsche.
Weder Michael noch Sebastian waren oder sind darauf ausgerichtet, mit
Formel 1 viel Geld zu verdienen. Sebastian hat nie drüber
nachgedacht, ob er mit Motorsport viel Geld verdienen kann. Er wollte
immer nur Rennen gewinnen, und Michael war genauso in den jungen
Jahren. Dass die irgendwann damit Geld verdienen, bleibt nicht aus,
klar. Es heißt, Red Bull hätte Sie juristisch bei Vettel
rausgedrängt. Nein, das stimmt so nicht. Ich habe mich nie als
Manager gefühlt, sondern immer nur als Berater. Red Bull war einer
unserer ersten Sponsoren, und man muss in den Anfangsjahren doch sehr
viel investieren. Irgendwann konnte ich ihm das nicht bieten, was Red
Bull ihm bot und dann habe ich ihm gesagt: Du, dann mach bitte das
Richtige. In der Formel 3 braucht man 750000 Euro pro Saison, dann
geht es einfach nicht mehr anders. Und derjenige, der das Geld dann
bringt, möchte natürlich auch einiges mitentscheiden. Aber es ist
nicht so, dass wir außen vor sind. Wie haben weiterhin Kontakt, wir
haben ein sehr gutes Verhältnis miteinander. Sonst kriegen Sie nichts
zum Dank? Alle Leute fragen: Wieso verdienst du keine Millionen? Alle
Welt ist nur geldorientiert, aber mir geht es um den Erfolg. Gut, in
Sebastian haben wir sehr viel investiert, und wenn ich das mal zurück
kriegte, was ich schon in Rennfahrer investiert habe, könnte ich
schon lange in Rente gehen. Aber ich verdiene mein Geld selber, ich
brauche niemanden, der das für mich macht. Und so ein Manager kann ja
auch viel verhindern. Das sieht man ja zum Beispiel bei Nico
Hülkenberg. Wenn der Willi Weber genügend Sponsoren rangeschafft
hätte, bräuchte Nico sich jetzt nicht ein neues Team suchen.
Schumachers langjähriger Manager Willi Weber ist schuld an
Hülkenbergs Aus beim Rennstall Williams? Naja, der Weber stellt sich
immer als großer Entdecker hin. Aber selbst den Michael Schumacher
hat er in den Anfangsjahren gefragt: „Wie willst du das denn
finanzieren? Sonst ist die Saison für dich vorbei.“ Der Weber hat
zwar eine große Nase, aber ob er immer den richtigen Riecher hatte,
bezweifle ich. Und Sie? Haben Sie schon einen anderen potenziellen
Weltmeister gerochen? Wir haben natürlich nicht nach Sebastian
aufgehört. Ich bin wieder Back to the Roots gegangen, wir haben hier
auf der Kartbahn Kerpen-Manheim seit zwei Jahren eine
Nachwuchsförderung eingerichtet, für acht- bis 16-Jährige. Da sind
auch sehr talentierte Jungs dabei, aber man muss sich so ein Kind
erst mal entwickeln lassen. Wenn die dann zehn Jahre alt sind, dann
kann man sagen: Ja, das ist der richtige Mann. Da können wir einen
Einsatz bringen. Und das ist jetzt meine Aufgabe. Wann also kommt der
nächste Vettel? Das wird schon wieder so acht Jahre dauern oder zehn.

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