Das ist nicht das Jahr der AfD, es ist das Jahr ihrer Entzauberung. Da sind die öffentlich gewordenen Fantasien um eine „Remigration“ von Einwanderern. Die Aufdeckung eines mutmaßlichen Spions beim Spitzenkandidaten für die Europawahl und das Urteil aus Münster, wonach die Partei zu Recht vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Und nun folgt der Schuldspruch gegen Björn Höcke. Dieser ist zwar mit einer Geldstrafe noch recht milde ausgefallen. Aber erstens reiht er sich ein in diese Abfolge von unrühmlichen Dingen, die der Partei vorzuhalten sind. Zweitens bleibt ja doch mehr als nur das Urteil in Erinnerung – vor allem die Tatsache, dass da ein geschichtsvergessener Geschichtslehrer ist, der alle für dumm verkaufen will und eingebremst gehört. Wie formulierte es die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer? Eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sei für Höckes „planvolle Grenzüberschreitung“ unerlässlich „zur Einwirkung auf den Angeklagten“. Nun mögen die Höcke-Fürsprecher erneut auf eine parteiische Gerichtsbarkeit schimpfen, ebenso wie man nach dem Münsteraner Urteil wieder einmal gegen einen angeblich politisch gesteuerten Verfassungsschutz gewettert hat. Aber, so ist es nun einmal, ja, die Justiz ist tatsächlich parteiisch – aber nur im Sinne der Gesetze, die sich das Volk gegeben hat. Und der Verfassungsschutz, ja, auch der ergreift Partei, denn er setzt sich für die Verfassung ein, nicht mehr und nicht weniger. Zumindest ein erklecklicher Teil der AfD steht dagegen nicht auf dem Boden der Verfassung, nicht hinter dieser Republik. Alle, die mit dieser Partei liebäugeln, können das zwar schon lange nicht mehr ignorieren. Selten zuvor aber hat man das in solch einer Deutlichkeit vor Augen geführt bekommen.
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