Die Mindestlohndiskussion geht am Thema vorbei!

Unabhängig davon, dass CDU und SPD im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen vermutlich zu einer Vereinbarung über einen Mindestlohn kommen werden, bleibt ein grundsätzliches Problem in Deutschland bestehen. Das der Strukturen. Betrachtet man die Komplexität und Kompliziertheit des gesamten Systems, in dem Unternehmen wie Mitarbeitende in den Unternehmen eingebunden sind, aber auch das gesamte Sozialsystem, genauer, so bleibt zu konstatieren, dass sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer in einem geradezu unüberschaubaren Geflecht von Gesetzen, Verordnungen, Rechtsprechung wie auch einem grundlegenden politischen Selbstverständnis gefangen sind, was ineffizient und ineffektiv ist. Das bedeutet u.a. die Bindung von Ressourcen für Strukturen, Arbeit und Koordination.
Wer sich das Thema Arbeit – Lohn – Marge in der Schweiz näher anschaut, wird feststellen müssen, dass sowohl bei den Unternehmern wie auch Arbeitnehmern ein höherer Grad der Zufriedenheit besteht, weil der Staat beiden Parteien des Tarifgeschäft nicht „ins Säckel greift“, weil er sich stärker zurückhält als in Deutschland und der EU.
Dies lässt sich alleine schon dadurch erkennen, dass es in der Eidgenossenschaft von Unternehmerseite nicht negiert wird, wenn angeregt wird, bisweilen im Sinne der Mitarbeitenden auf einen Teil der Unternehmensmarge zu verzichten, um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu pflegen und zu fördern. Das klingt so, als ob man den linken Flügel der SPD und Linken links überhole.
Gewiss sind Schweizer Unternehmen keine Betriebe, denen man im Entferntesten nachsagen könnte, sie trügen das versteckte „VEB-Label“. Es ist das Staatsverständnis, der gesellschaftliche Konsens und vor allem die Strukturen, die für Unternehmer und Arbeitende unter dem Strich übriglassen. Betrachtet man zudem die Entwicklungen auf der EU-Ebene, dann schrumpfen Hoffnungen eher, dass sie steigen. Für beide Seiten.
Der Politische Apparat, der gewohnt ist, gebetsmühlenartig und ermattend von „Reformen“ zu reden, sollte in sich gehen und sich des Begriffs „Reform“ vergewissern, um ihn nicht mehr falsch zu verstehen und bedauerlicherweise auch so zu kommunizieren. So mutiert ein vermeintlicher lapsus linguae über die Jahre hinweg zur Fehlinterpretation, die sich im politischen Selbstverständnis widerspiegelt. Vermutlich ist es so, wie bei Abhängigen: sie wachen erst dann auf, wenn es existenziell wird…
Genau so, wie das abgegriffene Wort der „Innovation“. Vieles von dem, was als „Innovation“ verkauft – und teils massiv gefördert – wird, ist ein alter Hut. Für Vieles wäre es zutreffend i.S. von „Weiterentwicklung“ oder „Verbesserung“ etc. zu sprechen. Wenn zum Beispiel die Politik bei der Elektromobilität von „Innovation“ spricht, so lohnt es sich, technische Geschichte anzuschauen. Der Lohner Porsche oder Batterie-angetriebene Busse, sie sind ein richtig alter Hut. Was kein alter Hut ist, das ist die konsequente Weiterentwicklung der Technik und Produkte – die Hausaufgaben einer in der Politik viel zu wenig zu Wort kommenden Berufsgruppe, die sich unter „Technikern“ subsummieren lässt.
Entsprechend dieser begrifflichen „Drift“, gleiten die wichtigen Themen unserer Gesellschaft aus dem Sichtfeld und führen vom Kurs ab, der zur unnötigen Vergeudung von Ressourcen führt, was sich letztlich auch auf die Tarifverhandlungen auswirkt. Bedenkt man die Lasten der Betriebe und Bürger, die durch systemische Ineffizienzen zu einer teils massiven Mittelallokation führen, braucht man sich nicht wundern, dass durch politische Entschediungen oft weniger vom Netto überbleib – für alle.