Ein Kunstprojekt mit Weitblick: WoHNzeit entwickelt Vision von Heilbronn, wie es die Bürger sehen

Mit dem außergewöhnlichen Kunstprojekt „Wohnzeit“ verlässt das Theater Heilbronn sein Haus am Berliner Platz und geht hinaus zu den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Thema sind die Lebenswirklichkeit und die Lebensträume der Menschen aus 130 Nationen, die in dieser Stadt leben. Heilbronn gilt als Stadt, die sich wie kaum eine andere in den nächsten Jahren durch die multikulturellen Einflüsse verändern wird. Rund 60 Prozent der unter 18-Jährigen haben eine Zuwanderungsgeschichte. Wie wohnen die Menschen in der Stadt am Neckar? Wie wünschen sie sich das Zusammenleben in dieser Stadt? Was lieben sie an Heilbronn? Was würden sie gern verändern?
Das Theater möchte gern mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt eine Zukunftsvision von Heilbronn etwa im Jahre 2050 entwickeln – mit „WoHNzeit“, einem Kunstprojekt, wie es das in Heilbronn bisher noch nicht gab. Oliver Gather, Bildhauer und Bühnenbildner, und Stefan Nolte, Regisseur, sind das künstlerische Leitungsteam dieses großen Projektes, das unter anderem von der Bundeskulturstiftung, der Sparkasse Heilbronn-Franken, der Volksbank und der Schwarz-Stiftung und der Anna- und Paul-Göbel-Stiftung gefördert wird. Beide konzipierten und realisierten bereits verschiedene großformatige Recherche-Projekte mit Schauspielern, aber auch mit Laien und Zeitzeugen – die mit den Mitteln der darstellenden und der bildenden Kunst arbeiten, aus dem Theater hinaus gehen und sich mit der Lebenswirklichkeit befassen. Ganz normale Menschen werden darin zu Experten des Alltags.
Die Vorarbeiten und Recherchen für dieses Projekt laufen schon seit ca. einem Jahr.
Jetzt beginnt die Realisierung:
Phase I im April: Das Heimatlabor
Ab April ist das „Heimatlabor“ an ganz unterschiedlichen Orten in Heilbronn aufgebaut, wo Stefan Nolte und Oliver Gather mit Heilbronnerinnen und Heilbronnern ins Gespräch kommen wollen, die zu ihrer Stadt und speziell zu ihrem Stadtteil etwas zu sagen haben. Es ist ein kleines buntes Häuschen, auf dessen Dach groß die Buchstaben „WOHNZEIT“ stehen. Täglich von 11-20 Uhr freuen sich die beiden, die übrigens von einer türkisch- und einer russischsprachigen Mitarbeiterin unterstützt werden, auf ihre Gesprächspartner . Fotos, Bilder und Dokumente des jeweiligen Stadtbezirkes – von heute oder aus früheren Zeiten – sind sehr willkommen. Die Beschreibungen werden anonym gesammelt. Damit gestalten Nolte und Gather die Wände des Heimatlabors – das sich so jeden Tag verändert. Bereits jetzt haben sich viele Interview-Partner gemeldet. Darunter sind Frauen und Männer, die schon seit Jahrzehnten in ihrem Einfamilienhäuschen leben, aber auch ganz neu Hinzugezogene, Senioren, Arbeiter, Hausfrauen, Urheilbronner und Menschen verschiedener Nationalitäten.
Vom 1.-6. April steht das Heimatlabor in Böckingen, auf der Schanz, am Kraichgauplatz
Vom 8.-13. April steht das Heimatlabor im unteren Industriegebiet/Hawaii – Industrieplatz/Goppeltstraße
Vom 15.-20. April steht das Heimatlabor in Heilbronn Ost/Pfühlpark
Rund um die Heimatlabore gibt es jede Menge Aktionen, die von den Bewohnern der Stadtteile selbst initiiert werden
Phase II Mai Die Stadtteilporträts
Aus den gewonnenen Erkenntnissen und Materialien werden Stadtteilporträts gestaltet, die ab Mai im Theater Heilbronn ausgestellt werden.
Phase III 9.-16 Juli Die WoHNzeit
Aus den Wünschen und Anregungen der Menschen entsteht ein utopischer Lebensraum Heilbronn – eine überdimensionale Wohnung mit vielen Räumen, die als Synonym für die mögliche Zukunft dieser Stadt mit all ihren Facetten steht. Für die Ressourcen und Entwicklungspotentiale gibt es eine „Vorratskammer“. Die Wohnalbträume werden in einer „Kammer des Schreckens“ gezeigt. Wie die WoHNzeit genau aussieht, wo sie aufgebaut wird, das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln. Fakt ist, dass es sich um ein Kunst- und Theaterereignis der besonderen Art handeln wird, bei dem es jede Menge zu erleben und am Ende auch zu feiern gibt.
Der Regisseur Stefan Nolte (geb. 1965 in Geldern) hat neben der Arbeit an zahl­reichen Theatern (Dresden, Stuttgart, Freiburg, Aachen u.a.) verschiedene groß­formatige Projekte mit Laien, Zeitgenossen und Chören realisiert.
Große Beachtung fand seine Parzival-Bearbeitung der Gral­sucher auf dem ehemaligen V2-Forschungsgelände in Peenemünde.
Oliver Gather (Jahrgang 1963) arbei­tet seit seinem Bild­hauereistudium in Düsseldorf als freier Künstler und Büh­nen­bildner. Phänomene des städtischen Raums und das Auslösen kommunikativer Situa­tionen stehen im Mittelpunkt seines Werks. Zuletzt realisierte er nomadcitypassage, einen durch urbane Land­schaften ziehenden Zeltplatz als Trilogie in den Städten Düsseldorf, Linz und Köln.