Frankfurter Neue Presse: Griechenland: „Private Gläubiger könnten am Ende die Gewinner sein“ Leitartikel von Panagiotis Koutoumanos

Die Steine, die gestern Politikern in
ganz Europa vom Herzen gefallen sind, waren unüberhörbar. Von einem
wichtigen, bedeutsamen oder gar historischem Abkommen war angesichts
des nun gelungenen Schuldenschnitts für Griechenland die Rede. Und
natürlich ließen es sich die Vertreter der Finanzbranche nicht
nehmen, landauf landab auf ihren außergewöhnlich großzügigen – wenn
auch de facto erzwungenen – Verzicht zu verweisen. Der Tenor: Die
privaten Gläubiger haben einen schweren Aderlass hinnehmen müssen,
damit die Steuerzahler verschont bleiben.

Nicht einmal von den größten Optimisten kann dies als korrekte
Wertung der Ereignisse akzeptiert werden. Zunächst mal hat der
öffentliche Sektor bereits auf finanzielle Ansprüche verzichtet.
Schließlich haben die Geberländer längst einer Laufzeit-Verlängerung
ihrer Griechenland-Anleihen zugestimmt und eine Senkung der Zinsen
akzeptiert.

Und davon abgesehen, dass der unkontrollierte Zusammenbruch des
zahlungsunfähigen Landes die Banken, Versicherungen oder Fonds noch
viel teurer zu stehen gekommen wäre als der nun hingenommene
Schuldenschnitt, ist ihnen das Umstruktierungsabkommen stark versüßt
worden: Aus dem 130-Milliarden-Euro-schweren Rettungspaket, das die
Troika jetzt abschicken kann, fließen allein 30 Milliarden Euro in
bar an die privaten Eigentümer griechischer Anleihen. Weitere 23
Milliarden sollen speziell der Kapitalisierung der notleidenden
griechischen Banken dienen. Vergessen werden sollte dabei nicht, dass
die meisten Institute die Anleihen ohnehin schon abgeschrieben haben.
Und mancher, der erst nach dem Zusammenbruch der Kurse griechischer
Bonds eingestiegen ist, macht ohnehin kaum Verlust. Hinzu kommt:
Sollte Griechenland allen bisherigen Hilfen zum Trotz am Ende die
Eurozone doch verlassen müssen, können per ordre de mufti grec aus
den Euro-Anleihen der privaten Gläubiger keine Drachme-Anleihen
werden.

Im Gegenzug hat nun die öffentliche Gemeinschaft, also der
Steuerzahler, das Gros der Risiken übernommen. Und die sind trotz des
Schuldenschnitts nicht zu unterschätzen: Nach jüngsten Prognosen wird
Griechenlands Wirtschaft dieses Jahr um weitere sechs Prozent
schrumpfen, während nicht nur die Arbeitslosigkeit, sondern auch die
Inflation zunimmt. EU und IWF rechnen zwar damit, dass das
Mittelmeerland 2013 wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt und ab
2014 seine Wirtschaftsleistung jährlich um mindestens zwei Prozent
steigert. Aber bislang haben sich ihre Prognosen stets als viel zu
optimistisch erwiesen. Entsprechend ist schon sehr fraglich, ob die
Schuldenlast Griechenlands – wie von der Troika geplant – bis zum
Jahr 2020 von derzeit 168 Prozent des BIP auf gut 120 Prozent
abnehmen wird.

Selbst für den Fall, dass Hellas dieses Ziel erreicht, bleibt
offen, ob das Land mit diesem Verschuldungsgrad tatsächlich überleben
kann. Schließlich ist die 120-Prozent-Marke nicht mehr als eine vom
IWF mehr oder weniger willkürlich gezogene Grenze. Traditionell
setzen Wirtschaftswissenschaftler die Schuldenschwelle, über der ein
Staatsbankrott droht, bei 90 Prozent des BIP an. Am Ende könnten die
privaten Gläubiger, die heute laut jammern, als einzige Gewinner
dastehen.

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