Im sehenswerten Film „Joschka und der
Herr Fischer“ erzählt der ehemalige grüne Außenminister eine
aufschlussreiche Anekdote. Er schildert, wie er 1985 hessischer
Umweltminister wurde und viele grüne Anhänger bitter enttäuschte. Die
dachten nämlich, er könne als Minister das Akw in Biblis und die
nuklearen Wiederaufbereitungsfabriken in Hanau einfach so schließen.
Daran, dass es in einem Rechtsstaat gewisse rechtsstaatliche Zwänge
gibt, von denen sie gelegentlich auch profitieren, dachten viele
Grüne damals noch nicht.
Kurioserweise steht nun der erste grüne Ministerpräsident Winfried
Kretschmann 26 Jahre später vor einem ähnlichen Problem. Er wurde zu
einem guten Teil auf der Anti-Welle gegen Stuttgart 21 ins Amt
gespült. Und nun erwarten viele, dass seine grün-rote Regierung dem
Bahnprojekt das schnelle Aus bereitet.
So einfach geht das aber nicht. Zwar hoffen die Grünen, dass der
Stresstest die Kosten so erhöht, dass die Bahn das Projekt stoppt.
Wenn nicht, gäbe es auch noch die Möglichkeit eines ablehnenden
Volksentscheides. Doch sollten beide Optionen scheitern, müssten die
Grünen dafür sorgen, dass die Bahn weiter bauen darf. Notfalls mit
Polizeigewalt.
Die Grünen müssten dann also Recht und Gesetz gegen ihre eigene
Klientel durchsetzen. Einen Vorgeschmack dafür, wie das aussehen
könnte, haben die Vorkommnisse am Montag gezeigt.
Man kann sich leicht ausrechnen, dass die politische Konkurrenz
der Grünen sich in Stuttgart und erst recht in Berlin entspannt
zurücklehnt. Sie kann darauf hoffen, dass der schwierige Spagat von
Regieren und Opponieren den grünen Höhenflug beenden und die Partei
entzaubern wird.
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