Griechenland? ein Fass ohne Boden?

Griechenland hängt seit einem Jahr am Tropf des IWF und seiner Euro-Partner, weil es sich wegen zu hoher Zinsen am Kapitalmarkt kein Geld besorgen kann. Derzeit diskutieren die Regierungen der Euro-Zone über ein zweites Hilfspaket für das hoch verschuldete Land. Die Euro-Finanzminister sollen es am 20. Juni schnüren. Dabei wird es auch um die Beteiligung privater Gläubiger auf freiwilliger Basis gehen. In der Diskussion ist die sanfte Version einer Umschuldung durch Zahlungsaufschub.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich erstmals klar für eine Umschuldung Griechenlands und ein zweites Milliarden-Hilfspaket ausgesprochen. Mit einem längeren Zahlungsaufschub und neuen Finanzspritzen soll dem pleitebedrohten Land eine Atempause verschafft werden. In einem eindringlichen Appell an die Euro-Partner, die EZB, IWF und EU-Kommission verlangte Schäuble die Einbindung privater Geldgeber bei weiteren Hilfen.
In einem am Mittwoch bekanntgewordenen Brief warnte Schäuble, ohne ein weiteres Hilfsprogramm drohe „der erste ungeordnete Bankrott in der Euro-Zone“. Unklar blieb, ob die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Ablehnung auch gegen eine „weiche“ Umschuldung aufgibt und eine Laufzeitverlängerung für griechische Anleihen mitträgt.
Prüfbericht: Griechenland braucht neues Hilfsprogramm
Griechenland braucht nach Einschätzung der Troika von IWF, EZB und EU-Kommission neue Finanzhilfen zur Lösung seiner Schuldenprobleme. In ihrem Abschlussbericht zur Lage des Landes kommen die drei Institutionen nach Angaben mehrerer Nachrichtenagenturen faktisch zu dem Schluss, dass die 110 Mrd. Euro aus dem ersten Hilfspaket nicht reichen, die Hellenen vor dem Bankrott zu bewahren. Wörtlich heißt es zudem: „Die nächste Auszahlung kann nicht stattfinden, bevor das Problem dieser Unterfinanzierung gelöst ist.“ Griechenland hofft darauf, Anfang Juli die nächsten 12 Milliarden Euro aus dem 110 Milliarden Euro schweren internationalen Hilfsprogramm zu bekommen.
In dem Brief Schäubles vom 6. Juni heißt es: „Jede zusätzliche finanzielle Hilfe für Griechenland muss eine faire Lastenteilung zwischen Steuerzahlern und privaten Investoren einschließen.“ Beim Treffen der Finanzminister am 20. Juni müsse es einen klaren Auftrag an die griechische Regierung – möglicherweise mit dem IWF – geben, die Einbindung privater Geldgeber anzugehen.
„Deutschland ist seit Jahren der größte Nettozahler der EU mit einem Betrag von 146 Mrd. EUR (Stand:2008) und wird über den Rettungsschirm zu zusätzlichen Zahlungen in dreistelliger Milliardenhöhe gezwungen“, erklärt Claudia Rankers, vom Family Office, Rankers Finanzstrategien. „Ich glaube nicht, dass die deutsche Bevölkerung dies noch lange tolerieren wird“.
Schäuble will Griechen-Anleihen um sieben Jahre verlängern
Es müsse einen „messbaren und substanziellen Beitrag“ privater Anleihegläubiger geben, forderte Schäuble. Dies könnte am besten über einen Umtausch von Anleihen erreicht werden, der zu einer Verlängerung ausstehender Forderungen um sieben Jahre führen sollte. In dieser Zeit erhalte Griechenland die nötige Zeit, um Reformen voll umzusetzen und Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen.
Mit seiner klaren Position setzt Schäuble nicht nur Griechenland und die anderen Euro-Partner unter Druck, sondern auch deutsche Banken sowie EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Der Vorschlag einer „sanften Umschuldung“ ist auch im Kreis der Euro-Länder umstritten. Rating-Agenturen warnen vor einem solchen Schritt. Am Finanzmarkt wird damit gerechnet, dass dies als Zahlungsausfall oder so genanntes „Kreditereignis“ (default) gewertet wird; das wäre bei europäischen Staatsanleihen eine Premiere – mit ungewissen Folgen für die Märkte.
Ratingagentur legt hohe Maßstäbe an freiwillige Umschuldung
Die Ratingagentur Moody“s äußerte sich sehr zurückhaltend zu den jüngsten Umschuldungsvorschlägen. Nur wenn die Besitzer griechischer Staatsanleihen sich tatsächlich freiwillig beteiligen könnten, würde Moody“s so eine Aktion nicht als Zahlungsausfall werten, sagte eine Sprecherin dem „Handelsblatt“ (Donnerstag).
Jegliche Schuldenerleichterung für Griechenland würde die Europäische Zentralbank (EZB) treffen. Sie ist seit ihrem Ankaufprogramm für Staatsanleihen von Pleitekandidaten einer der wichtigsten Gläubiger Athens. Bis Ende Mai häufte die EZB Anleihen von 75 Milliarden Euro an.
Baken reagieren zurückhaltend auf „sanfte“ Umschuldung
Die deutschen Banken reagierten zurückhaltend, schlossen eine freiwillige Beteiligung an einer „sanften“ Umschuldung aber nicht aus. Nach Aussagen von Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, darf eine Beteiligung privater Gläubiger nur am Ende einer für alle tragfähigen Lösung stehen. Dieser Punkt sei aber noch nicht erreicht. Er warnte vor Kettenreaktion. Eine Umschuldung dürfe nur freiwillig erfolgen.
Nach Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hielten die deutschen Banken im internationalen Vergleich mit 22,7 Milliarden Dollar die meisten griechischen Staatsanleihen (Stand Ende 2010), wobei die gesamten Forderungen der Banken gegenüber Griechenland bei 34 Milliarden Dollar lagen. Andere haben drastisch reduziert, so auch Frankreich auf 15 Milliarden Dollar. Ende des ersten Quartals 2010 lag das Engagement deutscher Institute bei 23,1 Milliarden Dollar, Frankreichs sogar bei 27 Milliarden Dollar.
Eurobonds machen eine Flucht der Anleger unmöglich
„Ein Zahlungsaufschub wird niemals reichen“, sagt Georg Rankers vom Family Office, Rankers Finanzstrategien. „Griechenland ist ernsthaft pleite, nicht eingebildet bankrott. In vollem Umfang können die Griechen ihre Schulden auch in sieben Jahren nicht bedienen. Sie sind nicht einmal mehr fähig, die Zinsen für ihre Kredite zu zahlen.“
Für einen Schuldenerlass gibt es diverse Modelle, aber sie alle laufen auf einen Rabatt von real etwa 50 Prozent hinaus. Wenn die Banken und Investoren diese 50-prozentige Abschreibung allein tragen sollen, dann könnten sie aus allen Papieren fliehen, die sie als riskant einstufen – italienische oder belgische Staatsanleihen inklusive. Europaweites Chaos wäre programmiert.
Dafür gäbe es allerdings eine Lösung: den Eurobond. Wenn Anleger nicht unterscheiden können, ob sie italienische oder deutsche Staatsanleihen kaufen, dann wäre eine Flucht unmöglich. Die deutschen Steuerzahler haben also die Wahl: Entweder akzeptieren sie Eurobonds – oder sie zahlen für die Pleitestaaten allein, während sich die Banken höchstens kosmetisch beteiligen. Bisher gibt es keine Mehrheit für den Eurobond.
Barroso offen für Eurobonds in Griechenland-Krise
Zur Unterstützung des hoch verschuldeten Griechenlands hat sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erneut für gemeinsame Anleihen der Euro-Länder offen gezeigt. In der Frage, ob es diese Eurobonds geben solle, seien sich die Mitgliedsstaaten nicht einig, sagte er am Dienstag im EU-Parlament. Wenn der EU-Rat und das Parlament bereit seien, darüber zu diskutieren, sei ihm das nur sympathisch.
Im Parlament drängen Sozialdemokraten und Liberale zur Auflage von Eurobonds, um die Schuldenaufnahme zu bündeln. Ihrer Ansicht nach drücken sie die wirtschaftspolitische Gesamtstärke der Euro-Zone aus und sind hochattraktive Anlagen. Eurobond-Gegner wie Deutschland und Frankreich fürchten, ein gemeinsamer Zinssatz für alle Euro-Staaten nehme den Schuldenstaaten die Motivation, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Experten sind sich einig, dass es früher oder später zu Eurobonds kommen wird.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.rankers-cie.de