Lausitzer Rundschau: Aussetzung einer Pflicht

CDU macht Weg für Berufsarmee frei

Karl-Theodor zu Guttenberg hat wieder mal auf
Risiko gespielt und wieder mal gewonnen. Die Aussetzung der
Wehrpflicht ist eine Jahrhundertentscheidung. Freilich, so ganz als
Visionär sollte man den CSU-Politiker nicht einstufen. Gegen die
Wehrpflicht sprach aus seiner Sicht vor allem der Spardruck des
Finanzministers, den er so am schnellsten erfüllen konnte. Außerdem
spürte er natürlich, dass die Jugend den Sinn nicht mehr recht sieht.
Guttenberg hat mit seinem spontanen Vorschlag auch Glück gehabt, weil
Horst Seehofer, der den Plan hätte vereiteln können, zufällig gerade
auf konstruktiv macht. Seit am Wochenende auch der CDU-Landesverband
Hessen einlenkte, ist die Sache praktisch gelaufen. Die
beabsichtigte Reform weist allerdings große konzeptionelle Schwächen
auf, eben weil sie ausschließlich einer Spardebatte entstammt. Was
die Bundeswehr künftig leisten soll, stand und steht nicht im
Mittelpunkt, sondern ist die Resultante anderer Überlegungen.
Seehofer etwa lässt sich offenbar seine Zustimmung damit erkaufen,
dass Bayern bei Standortschließungen verschont wird und die
Gesamtzahl der Soldaten nicht so stark sinkt wie geplant. So werden
hierzulande Wehrstrukturreformen gemacht – als Geschacher zwischen
Bund und Ländern. Die zweite konzeptionelle Schwäche liegt darin,
dass hinter dem Beschluss keine Idee steht, wie sich das Verhältnis
zwischen Bürgern und Staat grundsätzlich gestaltet, wenn es für die
Bürger keine Pflichten mehr gibt, außer der, fleißig Steuern zu
zahlen. Die Verteidigung wird künftig von bezahlten Berufssoldaten
erledigt, die Pflege der Alten und Kranken von Frauen aus Osteuropa.
Ist alles käuflich? Was hält dann die Gemeinschaft noch zusammen, im
Normalfall, aber erst recht im Notfall? Ein Gemeinschaftsdienstjahr
für alle, ob in der Armee, in der Entwicklungshilfe oder im
Sozialbereich, ist nicht die Alternative, denn ein solcher Eingriff
in die Lebensplanung hielte dem Grundgesetz nicht stand. Also müssen
es andere, freiwillige Formen sein. Wenn sie die Gesellschaft auch
nur halbwegs durchdringen sollen, muss es ein Dienstjahr sein, für
das es gesellschaftliche Anerkennung und echte Vorteile gibt. Das
kann die Anrechnung als Wartezeit für das Studium, die Bevorzugung
bei Bewerbungen oder die Berücksichtigung bei der Rente sein. Es gibt
diese Debatte bisher nicht, aber sie hätte von dem Moment an geführt
werden müssen, in dem man überhaupt darüber nachdenkt, die
Wehrpflicht auszusetzen. Das muss nun nachgeholt werden.

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