Lausitzer Rundschau: Der Mensch als App

Zum Umgang mit Geo-Diensten wie Google Street V

Google Street View ist dabei, alle Häuser ins Netz
zu stellen. Die meisten Menschen haben Handys, die per Internet
ständig mit Google oder anderen Anbietern verbunden sind, die auch
ständig ihren Standort mitteilen. Fast jeder Bundesbürger hat darüber
hinaus Hunderte, wenn nicht Tausende Spuren im Internet hinterlassen.
Fotos vom Vereinsjubiläum, die Liste der Teilnehmer am letzten
Stadtlauf, Texte und Dokumente von Schulen, Universitäten,
Arbeitsstätten und öffentlichen Verwaltungen. Es gibt schon Apps,
Handy-Programme, die Musikstücke erkennen. Demnächst erkennen sie mit
ihren Kameraaugen auch Häuser und dann braucht man sie nur hier und
da hinzuhalten, und schon sprudelt es: Wer dort wohnt, welche Hobbys
er hat, welches Auto er fährt und so weiter. Sogar, wo der Bewohner
gerade ist. Vielleicht wird das nicht jeder Handybenutzer können. Die
großen Anbieter aber ganz sicher. Allen voran Google. Dann ist das
mehr als ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, dann
ist das das Ende der informationellen Selbstbestimmung. Es gibt kaum
ein dümmeres Argument gegen gesetzliche Regelungen als den Satz, es
handele sich ausnahmslos um öffentlich zugängliche Informationen.
Eine Hausfassade etwa oder das Auto vor der Garage. Natürlich. Aber
wenn man alle harmlosen Informationen miteinander verknüpft, wird
daraus eben eine neue Qualität. Dann sind wir gläserner Mensch.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist
auf dem richtigen Weg: Nötig ist nicht nur eine Regelung für Google
Street View. Das auch. Sie muss zum Beispiel sicherstellen, dass
niemandes Haus gegen den Willen des Eigentümers ins Netz gestellt
werden darf. Aber Einzelfallgesetze gegen jede neue technische
Entwicklung werden nicht wirklich helfen. Und freiwillige Appelle,
wie sie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erneut losließ,
auch nicht. Seit wann gibt der Hund die Wurst von sich aus her, seit
wann Google seine Daten? Nötig ist es, den Menschen verbriefte, also
gesetzliche Datenschutzrechte auch im Internet zugeben. Zum Beispiel,
indem ihnen ermöglicht wird, bei den großen Anbietern und
Datenhändlern sämtliche Informationen über sich selbst sperren und
vernichten zu lassen. Mit Staatszensur wie in China hat ein solches
Gesetz übrigens nichts zu tun, das ist das zweitdümmste Argument.
Denn hierzulande bestimmt noch immer das frei gewählte Parlament, wie
wir leben wollen. Nicht Diktatoren, aber auch nicht der Selbstlauf
der Technik.

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