Noch nie ist in der Geschichte der Bundesrepublik
einem Politiker in so kurzer Zeit so viel öffentliche Anerkennung
zuteil geworden wie Karl-Theodor zu Guttenberg. Trotz seiner erst 39
Jahre gilt der schneidige Freiherr aus Oberfranken vielen bereits als
natürlicher Nachfolger Angela Merkels im Kanzleramt – und nicht nur
der Boulevard fand ihn und seine Frau Stephanie, jedenfalls bis
gestern, uneingeschränkt „gutt“. Dabei hat der CSU-Politiker im Laufe
seiner Amtszeiten als Wirtschafts- und später als
Verteidigungsminister zwar oft eine gute Figur abgegeben – unter dem
Strich aber bislang noch nicht allzu viel auf die Beine gestellt.
Eine Diskrepanz, die den alten CDU-Kämpen Wolfgang Schäuble jüngst
veranlasste, das „Phänomen Guttenberg“ mit dem medialen „Zirkus“ um
Eurovision-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut zu vergleichen. Tatsächlich
bedient Guttenberg die Sehnsucht einer im Grunde am Gemeinwesen nur
noch oberflächlich interessierten Gesellschaft, indem er sich als
politischer Anti-Politiker in Szene setzt – als tatkräftiger Macher,
der sich nicht scheut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, und
handelt, während andere noch reden. Indes: Dieses Bild von Politik
hat mit der Wirklichkeit in hochkomplexen Gesellschaften nichts zu
tun. Was mitunter als endloses Palaver wahrgenommen wird, dient doch
dem Ausgleich berechtigter Interessen. Und wenn einer den gordischen
Knoten durchschlägt, geht nebenbei eben auch einiges kaputt. Viel
Stil, weniger Substanz. Nicht immer hundertprozentig im Thema, aber
stets eloquent und gut gekämmt. Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein
Meister der Symbolpolitik, vielleicht der Prototyp des
Medienpolitikers unserer Zeit. Aber wer Erwartungen weckt, die
niemand erfüllen kann, dem fallen sie irgendwann auf die Füße. Schon
der Umgang des Ministers mit dem blutigen Luftangriff im afghanischen
Kundus und der Affäre um das Segelschulschiff Gorch Fock nährten den
Verdacht, ihm gehe es vor allem darum, in jeder Lage gut auszusehen.
Und Verantwortung zu übernehmen, heiße für ihn nur, ohne Rücksicht
auf Verluste andere verantwortlich zu machen. Dies allerdings wird
ihm angesichts der am Mittwoch bekannt gewordenen Vorwürfe, er habe
Teile seiner Doktorarbeit bei anderen abgeschrieben, kaum gelingen.
Über die wissenschaftlichen Konsequenzen wird am Ende die zuständige
Universität Bayreuth zu entscheiden haben, politisch ist der Schaden
für Guttenberg schon jetzt erheblich. Denn gelitten hat sein größtes
Kapital, sein Image: Der politische Erlöser hat sich schlagartig in
einen traurigen Tropf verwandelt, der mehr scheinen will, als er ist,
und deshalb klügeren Köpfen die Ideen klaut.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de