Lausitzer Rundschau: Keine gemeinsame Sprache

Polen, Russland und die Tragödie von Smol

Als der russische Ministerpräsident Wladimir Putin
im April an der Absturzstelle der polnischen Präsidentenmaschine
seinen Warschauer Amtskollegen Donald Tusk spontan umarmte, feierten
die Medien an der Weichsel diesen Moment als historischen Wendepunkt
in den schwierigen polnisch-russischen Beziehungen. Empathie gehörte
bis dato nicht zum gemeinsamen Wortschatz. Den dominierten Begriffe
wie Katyn, Kommunismus, Krieg und Raketensystem. Doch angesichts der
Katastrophe von Smolensk demonstrierten auch die Menschen in Russland
ihr Mitgefühl mit dem polnischen Volk. Jetzt, nur knapp vier Monate
später, scheinen sich die alten Fronten wieder zu verhärten. Die
polnischen Ermittlungen zur Aufklärung des Absturzes geraten ins
Stocken, Moskau halte wichtige Akten zurück, so der Vorwurf.
Polnische Politiker und Publizisten aus dem nationalen Spektrum
verbreiten Verschwörungstheorien. Der selbstbewusste Präsident
Kaczynski und seine Leute seien Moskau zu unbequem geworden. Die
Gräben wirken tiefer als zuvor. Beide Eindrücke sind übertriebene
Interpretationen der Wirklichkeit. Die nicht zuletzt von Teilen der
polnischen Presse genährt werden. Die Beziehungen zwischen Moskau und
Warschau sind historisch empfindsam und hoch kompliziert. Noch immer
begegnen sich die politischen Führungen mit Misstrauen. Polen
unterstützt aktiv eine stärkere Einbindung der sowjetischen
Nachfolgestaaten in die Strukturen von Nato und EU. Die Ex-Weltmacht
Moskau ignoriert den einstigen Satellitenstaat weitgehend und
verhandelt lieber bilateral mit Washington, Paris und Berlin – dabei
lässt der Kreml gern seine Rohstoff-Muskeln spielen. Davon zeigt sich
Warschau wiederum unbeeindruckt, spielt doch russische Energie keine
Rolle an der Weichsel. Die gemeinsame Aufklärung der
Jahrhundert-Tragödie von Smolensk erfordert nun eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit politischer und juristischer Kreise beider Länder.
Darin fehlt ihnen jedoch die Erfahrung und das Personal.
Eingespielte, bilaterale Kommunikationskanäle zwischen Moskau und
Warschau gibt es nicht. Es muss ein gemeinsamer Umgang, eine
gemeinsame Sprache erst entwickelt werden. Dass sich jetzt polnische
Ermittler mit ihrem Frust an die Presse wenden, ist Ausdruck von
Hilflosigkeit. Doch die polnischen Medien greifen gerne zu.
Schließlich lässt sich an der Weichsel mit historisch aufgeladenen
Themen Auflage machen.

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