Tschernobyl – dieser Name kennzeichnet den bis
heute größten atomaren Gau der Geschichte. Er steht für radioaktiv
verseuchte Gebiete, deren Einwohner – sowohl um Information als auch
um rechtzeitige und wirksame Hilfe betrogen – der Verstrahlung
ausgeliefert wurden. Das bedeutete für viele den Tod oder lange,
quälende Krankheit. Die Sorge, wie weit sich die unsichtbare
Strahlung auf Europa auswirken würde, hat 1986 auch in Deutschland
die Menschen umgetrieben. Heute, nach über 25 Jahren, holt uns dieses
Gefühl wieder ein. Wütende Waldbrände erreichen, nachdem sie ein
Atomforschungszentrum in Sarow bedroht haben, nun Brjansk,
Tschernobyl-Gebiet. Das Risiko ist groß, dass das, was da
aufgewirbelt wird, nicht einfach nur Staub und Rauch sind, sondern
ein radioaktiver Cocktail. Und wieder sind die Nachbarländer
gezwungen, als Beobachter zuzusehen. Dabei stehen auch hier in
Deutschland erfahrene Katastrophenhelfer und Hilfsorganisationen
bereit. Sie warten nur auf das Signal. Ein offizielles Hilfeersuchen,
ohne das sie im fremden Land nicht tätig werden dürfen. Derweil
laufen Russlands Militär und Feuerwehr der Ausbreitung des Feuers
scheinbar hilflos hinterher. Putin will die Kräfte verstärken und
einen Plan zur besseren Ausstattung der Feuerwehren vorlegen. Den
naheliegenden Entschluss, Hilfe zu erbitten, fasst er dagegen nicht.
Russischer Stolz? Oder die bekannte Abwehrstrategie, bei Problemen
Informationen knapp zu halten und niemanden in die Karten schauen zu
lassen? So hat die Sowjetregierung zur Zeit Tschernobyls reagiert.
Das Russland von heute sollte klüger sein. Dass Putin und Medwedew
warten, während ihr Land in Flammen steht, immer mehr Menschen
sterben, obdachlos werden und die radioaktive Gefahr wächst, versteht
keiner. Auch dem eigenen Volk werden sie es später kaum erklären
können, wenn sich die hehren Fernsehbilder vom hemdsärmeligen
Präsidenten mit der sorgenvoll gefurchten Stirn und dem
entschlossenen Finger auf der Karte versendet haben. Längst wächst
der Unmut im eigenen Land und die Kritik an der Regierung. Putins
Heldenpose wirkt zunehmend aufgesetzt. Helden sehen anders aus. Sie
wissen, wenn es Zeit ist, den Starrsinn aufzugeben und eine helfende
Hand anzunehmen.
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