Schauen wir zunächst auf Deutschland und seine Lieblingsgerichte. Eine bunt gemischte Restaurant-Landschaft und millionenfache internationale Rezepte aus Internet und Büchern suggerieren, dass es die Deutschen überwiegend fremdländisch mögen. Weit gefehlt!
Laut einer aktuellen Umfrage des Statistischen Bundesamtes bevorzugen 66 Prozent die deutsche Küche. Dies ist der Spitzenreiter der Top 10. Italienisches Essen liegt auf Platz 2 der Lieblingsgerichte, allerdings weit dahinter mit 47 Prozent. Und wer meint, die Welt der Burger müsse doch weit vorne sein: erneuter Irrtum! Es sind nur 10 Prozent, die sich für US-amerikanisches Essen aussprechen: letzter Platz bei den Top 10 der Befragung.
Dass dies keineswegs eine Momentaufnahme ist, zeigen zwei weitere Beispiele. So sagt eine Erhebung von 2019 aus, dass fasst 59 Prozent nicht auf deutsche Küchenklassiker verzichten möchten. In diesem Zusammenhang wurden beispielsweise Rouladen und Gulasch genannt. Viele fühlen sich damit an ihre Kindheit erinnert und empfinden genussvolles Wohlbehagen
Weiterhin erklärten 47 Prozent der Deutschen im Jahr 2017, Currywurst sei deren Lieblingsgericht. Diese Wurst mit Sauce ist ebenfalls ein typisch deutsches Gericht, welches 1949 in der Nachkriegszeit in Berlin erfunden wurde.
Und wie sieht es bei unseren deutschsprachigen Nachbarn mit den Lieblingsgerichten aus? In Österreich zählen Wiener Schnitzel und Tafelspitz seit Jahren zu den beliebtesten Essen. Also auch landestypische Gerichte.
\“Lieblingsgerichte sind oft ein Spiegel der Seele. Menschen verbinden Genuss, aber vor allem Identität und Verbundenheit damit. Diese Verbundenheit kann sich auf Heimat oder andere Einflüsse beziehen, die vertraut erscheinen\“, erläutert Lydia Löwenherz ihre Einschätzung. Die Krimi-Autorin ist nicht nur einem Genre zugewandt, sondern beschäftigt sich schon viele Jahre unter anderem mit Essgewohnheiten und kulinarischen Genüssen.
Lieblingsgerichte berühmter Leute sprechen Bände
Bei den Lieblingsgerichten berühmter Leute lassen sich ebenfalls sehr starke Tendenzen zu Identität und Verbundenheit ablesen. Natürlich haben diese prägenden Verbindungen zum Lieblingsessen unterschiedliche Ursprünge. Nehmen wir einige Beispiele von Berühmtheiten aus der Krimi-Welt.
Die Lieblingsgerichte des beleibten Kriminalrat Ernst Gennat waren seinerzeit Kuchen und Torten, die immer in seinem Büro bereitstanden. Der sogenannte \“Buddha\“ lebte von 1880 bis 1939 und revolutionierte die Kriminalarbeit. Er erlebte Zeiten der Weltwirtschaftskrise, in welcher viele Nahrungsmittel knapp waren. Dazu gehörten unter anderem Eier, Butter und Milch – also viele Zutaten, die das Backen benötigt. Vielleicht schätzte Ernst Gennat den geliebten Kuchen deswegen so hoch ein und fühlte sich diesem verbunden.
Die berühmte Agatha Christie liebte hingegen Sahne, die sie täglich mit Wonne und Genuss in großen Mengen zu sich nahm. Dies mag kaum verwundern. Denn die Queen of Crime stammte aus der Grafschaft Devon im Südwesten Englands. Schon damals gehörten Cream Tea und Clotted Cream zu den Spezialitäten dieser Region.
Neben dieser Heimatverbundenheit drückte Agatha Christie aber auch Identität aus, die sie ihren fiktiven Romanfiguren auf den Leib schneiderte. So verpasste sie ihrem belgischen Detektiv Hercule Poirot das Image eines Feinschmeckers. Poirot liebt gute Küche, hat aber auch einfache Lieblingsgerichte, wie etwa zwei gekochte Eier zum Frühstück – jene müssen allerdings von exakt gleicher Größe sein. Dies spiegelt seine ausgeprägte Vorliebe für Symmetrie wider, mit welcher ihn seine Autorin ausstattete.
Parallelen zeigte auch der berühmte Alfred Hitchcock. Allerdings offenbarte er eine gewisse Ambivalenz bei seiner kulinarischen Verbundenheit. Obwohl er sich vor Eiern sehr ekelte, gehörte Quiche Lorraine zu seinen Lieblingsgerichten zum Frühstück. Er bereitete das Gericht aus Mürbeteig mit einer Füllung aus Eiern, Speck, Sahne, Lauch und Käse sogar selbst zu. Zudem bot er diesem Essen eine Bühne in einem seiner Filme (Über den Dächern von Nizza). Möglicherweise ist seine Verbundenheit zu dem französischen Klassiker der hohen Verehrung geschuldet, die Hitch schon sehr früh in seiner Karriere in Frankreich erfuhr.
Die Beispielliste ließe sich umfangreich weiterführen.
Was sagt es aber aus, dass Lieblingsgerichte häufig von Identität und Verbundenheit geprägt sind?
Lydia Löwenherz sieht dies positiv. \“Jeder Mensch hat den Wunsch nach Identität und Verbundenheit – ob zur Heimat, zu Mitmenschen oder anderen Einflüssen. Es ist ein seelisches Grundbedürfnis, was sich eben auch auf die Lieblingsgerichte auswirkt. Es ist uns oft nur nicht bewusst, aber äußerst spannend zu entdecken.\“