St. Gallen, 30.09.2013. Da die gesetzliche
Pflegepflichtversicherung nur einen Teil der Kosten im
Pflegefall übernimmt, kann die Versorgungslücke durch die
staatlich geförderte Pflege-Zusatzversicherung, die
sogenannte Pflege-Bahr, verringert werden. Seit dem
01.01.2013 zahlt der Staat für private Pflege-
Zusatzversicherungen einen Zuschuss in Höhe von 60 Euro pro
Jahr, beziehungsweise 5 Euro pro Monat, wenn diese
vorgegebene Mindestkriterien erfüllen. Da sich aber auch mit
der geförderten Pflege-Zusatzversicherung nur ein Teil der
Versorgungslücke im Pflegefall schließen lässt, bieten die
meisten privaten Krankenversicherer zusätzlich einen
„ungeförderten“ Pflege-Tarif als Ergänzung an.
Die staatlich geförderte Pflege-Zusatzversicherung ist dabei
interessant für Personen, die aufgrund von Vorerkrankungen
bisher keinen Versicherungsschutz erhalten haben. Allerdings
ist zu beachten, dass die geförderte Pflege-Bahr nur eine
Ausschnittsdeckung darstellt, es wird also nur ein Teil der
Kosten im Pflegefall erstattet.
Reinhold Schulte, bis Juni 2013 Chef des Verbandes der
Privaten Krankenversicherungen, sah dereinst positiv in die
Zukunft: Bei den Zusatzversicherungen hätten die Privaten
2012 weiter zugelegt – um eine gute halbe Million auf rund 32
Millionen Versicherungen. Entgegen aller Schwarzmalerei habe
sich die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung – kurz
Pflege-Bahr genannt – zum „echten Erfolgsmodell“ entwickelt.
Bis Ende Mai 2013, so berichtete Schulte, hätten bereits mehr
als 125 000 Menschen die neue Zusatzversicherung
abgeschlossen. Da mit jedem Tag 1000 neue Anträge
hinzukämen, liege man inzwischen wahrscheinlich schon bei
rund 150.000 Verträgen. Und das, so der ehemalige
Verbandschef, sei „erst der Anfang“. 24 Privatversicherer mit
einem Marktanteil von mehr als 80 Prozent hätten die
Zusatzpolice bereits im Angebot. Weitere Unternehmen
planten noch in 2013 den Einstieg. Offenkundig habe die
Debatte über Pflegereformen vielen die Augen dafür geöffnet,
dass ihnen ohne zusätzliche Vorsorge im Pflegefall
„finanzielle Überforderung“ drohe.
Erfreulich sei auch, dass das neue Angebot bei den 25- bis
35-Jährigen so gut ankomme, sagte Schulte. Auf diese
Altersgruppe entfielen fast 40 Prozent aller Anträge. 56
Prozent der Antragsteller seien unter 50 und nur 13 Prozent
älter als 60 Jahre. Dies widerlege alle Skeptiker, die vermutet
hätten, dass das neue Angebot nur für Alte und Kranke
attraktiv sei, weil es, anders als üblich, auf
Gesundheitsprüfungen und entsprechende Risikozuschläge
verzichtet.
Zum Thema Pflege scheint nach wie vor ein hoher
Beratungsbedarf zu bestehen, wie eine aktuelle Studie der
Süddeutschen Krankenversicherung (SDK) belegt. Die SDK ließ
für die Studie 1.000 Bürger befragen. Demnach kennt nicht
einmal die Hälfte der Bundesbürger den Pflege-Bahr. 70
Prozent der Deutschen geben auch zu, keine Ahnung zu
haben, ob sie bei einer Pflegebedürftigkeit gut genug
abgesichert wären. Der großen Mehrheit (78 Prozent) ist aber
bewusst, dass sie für den Pflegefall privat vorsorgen müssen,
weil es vom Staat im Ernstfall zu wenig Geld gibt. Trotzdem
scheuen viele Bundesbürger davor zurück, eine
Pflegezusatzversicherung abzuschließen. Jeder Dritte hält eine
solche Zusatzabsicherung für unwichtig. 60 Prozent der von
der SDK Befragten gaben an, sie fühlten sich schlecht
informiert. Unterstützt wird dieses Bild durch die
repräsentative Studie „Geschäftspotenziale in der
Pflegeversicherung“ des IMWF Instituts für Management und
Wirtschaftsforschung, wonach zwar jeder zweite Deutsche
befürchtet später einmal ein Pflegefall zu werden, dennoch
erst 16 Prozent der befragten Deutschen angaben, eine
private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen zu haben. Für
Berater gibt es hier also noch einiges zu tun. Schließlich hat
die „Pflege-Bahr Police“ Vor- und Nachteile, welche gut
überlegt gegeneinander abgewogen werden müssen:
Verbraucherschützer haben in den ersten Monaten bereits
ausführlich über Sinn und Zweck von Pflege-Bahr diskutiert.
Einige staatliche Vorgaben kamen sehr gut an, wie zum
Beispiel die Möglichkeit, die Versicherung im Notfall
vorübergehend ruhen zu lassen – beispielsweise dann wenn
ein Versicherungsnehmer Arbeitlosengeld II bezieht. Ebenso
positiv wird gesehen, dass die Versicherung für alle
erwachsenen nicht-pflegebedürftigen Bürger und damit für den
Großteil der Menschen hierzulande zugänglich ist – durch den
Kontrahierungszwang darf kein Versicherungsnehmer
abgelehnt werden. Weniger begeistert ist der
Verbraucherschutz beispielsweise von den vorgegebenen
Leistungen für Demenzkranke in den niederen Pflegestufen.
Die Leistungen bei Demenz (Pflegestufe 0) sind laut Stiftung
Warentest bei gleichem Beitrag oft deutlich niedriger als in
Tarifen ohne Zulage. Außerdem wurde bereits darüber
spekuliert, ob für gesunde Menschen rein private Produkte
eventuell lukrativer sind, weil die Pflege-Bahr-Tarife auch
risikobehaftete Bürger mit einbeziehen, die den bei rein
privaten Pflegeversicherungen üblichen Gesundheitscheck
nicht bestehen würden. Für dieses höhere Gesamtrisiko für die
Versicherer bezahlen nach Meinung von Experten alle
Versicherten mit. Auch Geringverdiener sollen im Pflegefall
keinen großen Vorteil aus Pflege-Bahr ziehen können, weil
ihre Leistungen auf die Grundversorgung angerechnet werden.
Kündigt zudem ein Geringverdiener seine Pflege-Bahr-Police
sind die bis dahin gezahlten Beiträge weg.