St. Gallen, 29.08.2013. „Die Konjunktur läuft wieder rund, die
Beschäftigung hat ein Rekordhoch erreicht und beide
Entwicklungen sorgen dafür, dass die Finanzlage des Staates
so gut ist, wie seit 13 Jahren nicht mehr“, schreiben die
Medien. Und tatsächlich haben in der ersten Jahreshälfte die
Finanzminister und Kämmerer den größten Überschuss seit
der Jahrtausendwende erzielt. So nahmen Bund, Länder,
Gemeinden und Sozialversicherung bis zum 30. Juni 8,5
Milliarden Euro mehr ein, was einem Überschuss von 0,6
Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Sind wir damit über
dem Berg und haben unsere Schulden im Griff? Mitnichten! So
warnen Ökonomen davor, sich auf diesem Erfolg auszuruhen.
Die Staatsfinanzen würden gerade von einer ganzen Reihe
günstiger wirtschaftlicher Faktoren profitieren, die aber nicht
anhalten kann. „Der Überschuss ist zum Teil dadurch
zustande gekommen, dass die Ausgaben für den
Schuldendienst merklich zurückgegangen sind“, sagt der
Deutschland-Experte der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Wörgötter.
Eine Entwicklung, die sich so nicht fortschreiben lässt.
Was heißt das eigentlich? Die Europäische Zentralbank pumpt
seit Jahren günstiges Geld in den Markt und versucht damit,
die Wirtschaft anzukurbeln. Derzeit liegen die Zinsen auf
einem historisch niedrigen Niveau von 0,5 Prozent, das
Banken zahlen müssen, um sich zu refinanzieren. Dies hilft
zumindest den Banken. Bei den Verbrauchern sieht dies ganz
anders aus. Denn nach Berechnungen der Weltbank, der
Dekabank und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
verlieren deutsche Sparer Jahr für Jahr Geld. Zwar hätten die
Bürger hierzulande derzeit den Spitzenwert von 4,94 Billionen
Euro beiseite gelegt und damit fünf Prozent mehr als im
Vorjahr. Doch rund 40 Prozent dieses Geldvermögens sei in
Sicht-, Termin- und Spareinlagen angelegt bzw. Bargeld, bei
denen Sparer jährlich 14,3 Milliarden Euro verlieren würden.
Dem deutschen Staat kann die sukzessive Enteignung seiner
Bürger zumindest aus finanzpolitischer Sicht nur recht sein.
Wie das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte, sparte er
dadurch alleine zwischen 2009 und 2012 rund 62 Milliarden
Euro, da er sich deutlich günstiger refinanzieren konnte als
erwartet. Die geringeren Ausgaben für den Schuldendienst
könnte man auch damit übersetzen: ich konnte mir das Geld
auf Kosten meiner Bürger billiger borgen. Ein Erfolg ist dies in
Anbetracht der geschilderten Situation sicher nicht.
Die Mehrheit der Bürger in Deutschland geht davon aus, dass
wir noch länger unter der Eurokrise zu leiden haben. Dies
ergab eine repräsentative Befragung der Universität
Hohenheim und der ING-DiBa Bank. Danach glaubt nur jeder
Zehnte, dass die Politiker die Bevölkerung ehrlich informieren.
Viele Bürger würden sich intensiv mit den Sorgen vor
Altersarmut und negativen wirtschaftlichen Entwicklungen
beschäftigen. 80 Prozent der Befragten gehen dabei davon
aus, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter
auseinander driftet. Dass die Krise ihren Höhepunkt dabei
bereits überschritten habe, denkt nicht einmal ein Viertel der
Befragten. Das ist ganz offensichtlich die Wahrheit. Auch wenn
dies Politiker im Wahlkampf offensichtlich nicht wahrhaben
wollen.