Mittelbayerische Zeitung: Damenwahlen

Von Reinhard Zweigler

Ein Jahr vor der Bundestags- und der bayerischen Landtagswahl
basteln die Parteien kräftig an ihrem Personalaufgebot. Sie tun sich
allesamt schwer. Die SPD-Troika Steinmeier, Steinbrück und Gabriel
schwört Einigkeit und belauert sich gleichzeitig. Bei den Grünen
treten gleich ein halbes Dutzend KandidatInnen um die beiden
Spitzenplätze zur Bundestagswahl an. Bei den Freidemokraten hat der
Verlegenheitsvorsitzende Philipp Rösler noch Bewährungszeit bis zur
Niedersachsenwahl. Und bei der Linken ist völlig unklar, ob die
beiden älteren Herren Oskar Lafontaine und Gregor Gysi noch einmal
die Vorturner im Wahlkampf geben werden. Personeller Nebel und
kämpferische Unentschlossenheit allenthalben. Nur Angela Merkel
thront in der CDU einigermaßen unangefochten auf dem Schild. Die
kleinen Nadelstiche von Ursula von der Leyen prallen an Merkels ab.
Eine ernsthafte Konkurrentin um die Kanzlerschaft ist die
Modernisiererin aus Niedersachsen nicht. Vielleicht noch nicht.
Auffallend im allgemeinen Gewusel ums künftige Spitzenpersonal ist,
dass immer mehr Frauen nach vorn streben. Die Wahlen im September
2013 könnten echte Damenwahlen werden. Nicht ausgeschlossen ist etwa
bei den Sozialdemokraten, dass die couragierte Hannelore Kraft aus
Nordrhein-Westfalen die lachende Vierte sein wird, die die sich
derzeit gegenseitig lähmende rote Männer-Troika einfach überflügelt.
Bei den Grünen wird mindestens eine Frau ganz vorn stehen, vielleicht
sogar zwei. Die CSU wird mit Gerda Hasselfeldt ins Bundestagsrennen
gehen. Ist es ein Zufall, dass jetzt so relativ viele Frauen für
Spitzenkandidaturen gehandelt werden? Vielleicht liegt es ja auch
daran, dass angesichts der Euro-Krise und düsterer
Konjunkturaussichten Politikerinnen nach vorn kommen, denen man eher
Vertrauen entgegenbringt als den bekannten Macho-Bewerbern. Und die
CSU macht die „Frauen-Bewegung“ mit. Die Mannsbilder in der CSU
müssen sich warm anziehen. Hinter Seehofer gibt es eine Reihe von
starken Politikerinnen, nicht nur Aigner, Haderthauer, Merk,
Hasselfeldt. Spätestens als Ilse Aigner vor über einem Jahr
entschlossen den Vorsitz des enorm wichtigen CSU-Bezirksverbandes
Oberbayern ergriff, wurde klar, dass die in Berlin kaum auffällige
Landwirtschaftsministerin die Weichen zurück nach Bayern stellen
würde. Dass sie mit ihrer Ankündigung in der Hauptstadt zur
Ministerin auf Abruf wird, nimmt Aigner in Kauf. In der CSU, bei
Seehofer und Co. gilt jetzt erst recht der Grundsatz: Bayern zuerst.
Die Christsozialen sind ein Jahr vor der Landtagswahl nervös wie noch
nie. Erstmals seit Jahrzehnten ist im Freistaat eine Regierungsoption
ohne die CSU denkbar. Der Machtverlust in München aber wäre für die
Quasi-Staatspartei der Super-GAU. Von einem Absturz in die Opposition
könnte sich die dauerregierende CSU wohl nur schwer erholen. Doch mit
einer erstarkten SPD um das politische Schwergewicht Christian Ude,
mit respektlosen Freien Wählern, die ungeniert in konservativer
CSU-Klientel wildern, sowie mit geerdeten Bayern-Grünen könnte die
politische Sensation gelingen. Die Betonung liegt auf „könnte“, denn
die CSU wird alles dafür tun, dass sie nicht auf die harten
Oppositionsbänke verbannt wird. Dass Seehofer mit Aigner eine bei der
CSU-Basis beliebte Bundesministerin in den Freistaat zurückholt,
spricht einerseits für seine Nervosität, aber andererseits auch für
seine Entschlossenheit, den Freistaat nicht in die Hände der
Opposition fallen zu lassen. Berlin ist für Seehofer im Zweifel dann
nicht ganz so wichtig. Deshalb setzt er auch auf Frauenpower.

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