Mehr als 50 Jahre kämpften die Südsudanesen für
ihre Unabhängigkeit von einem Land, in dessen kolonialen Grenzen sie
Bürger zweiter Klasse waren. Die gute Nachricht ist, dass die
Abstimmung im Januar wie geplant und friedlich über die Bühne
gegangen ist. Das war bei der Abspaltung eines Fünftels der
Staatsfläche , indem sich noch dazu drei Viertel der sudanesischen
Erdölvorkommen befinden, nicht unbedingt zu erwarten. Die schlechten
Nachrichten könnten indes schon bald wieder über die Agenturticker
laufen. Was, wenn sich Norden und Süden nicht einigen können bei der
Grenzziehung oder der Verteilung der Öldevisen? Was, wenn im Süden
der Unabhängigkeit nicht schnell genug die mit ihr assoziierte,
breitflächige Verbesserung der Lebensbedingungen folgt? Was also,
wenn die Trennung nicht die erhoffte Stabilität für die Region,
sondern neue Krisenherde bringt? Man muss auf die Vernunft der beiden
Männer setzen, die ihr Bekenntnis zum Friedensvertrag von 2005 nach
der Abstimmung erneuerten. Der Führer der südsudanesischen
Befreiungsbewegung, Salva Kiir Mayardit, fiel dabei durch die gleiche
Besonnenheit auf, mit der er bereits den Friedensvertrag von 2005 mit
aushandelte und seitdem seine Einhaltung überwachte. Den beliebten
Rebellenführer mit dem Cowboyhut wird man am Erfolg bei den Aufgaben
messen, an denen viele seiner afrikanischen Kollegen scheiterten: Das
Einbindung einer militärisch organisierten Befreiungsbewegung beim
Aufbau einer Zivilgesellschaft in einem von über 20 Jahren
Bürgerkrieg zerstörten Land. Zwei Millionen Menschen verloren bei den
Kämpfen zwischen 1983 und 2005 ihr Leben, vier Millionen weitere
flohen. Einfacher als Mayardit ist sein Gegenüber aus dem Norden
einzuschätzen. Präsident Umar al-Bashir zeigte bei der gewaltsamen
Niederschlagung von Protesten in Khartum Ende Januar einmal mehr,
dass öffentliche Streitkultur in der Islamrepublik Sudan nicht
geduldet wird. Von seiner achtbaren Treue zum Friedensabkommen
verspricht er sich als Belohnung wohl Milde von der internationalen
Gemeinschaft. Die Ankündigung der US-Regierung, den Sudan von der
berüchtigten schwarzen Liste sogenannter Schurkenstaaten streichen
sowie die Wirtschaftssanktionen überprüfen zu wollen, scheint ihm
recht zu geben. Es ist ein heikles Spiel, auf das die Industrieländer
sich einlassen. Während im Sudan fast 99 Prozent für die
Unabhängigkeit stimmten, wurde in Darfur in den vergangenen Monaten
wieder heftig gekämpft. Allein im Norden der Region flohen tausende
Familien. Der Präsident, gegen den aufgrund seiner Rolle im
Dafur-Konflikt ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen
besteht, dürfte sich der internationalen Unterstützung trotzdem
sicher sein. Ohne ihn bestünde nämlich die Gefahr eines Scheitern des
Friedensabkommens kurz vor dem Ziel. Die Abspaltung des Südens ist im
Sudan alles andere als unumstritten. An Frieden im Südsudan haben
neben den USA auch China, Frankreich und all jene Staaten Interesse,
die Konzessionen von Afrikas viertgrößtem Erdölvorkommen besitzen
oder besitzen möchten. Von allen Seiten ist ein hohes Maß an
diplomatischem Feingefühl verlangt, um den fragilen Frieden im
Südsudan nicht zu gefährden. Die wohl schwerste Aufgabe steht der
Bevölkerung des Südsudans selbst bevor. Sie muss die einstigen
Peiniger als Nachbarn anerkennen und sich im alltäglichen Umgang mit
ihnen in Vergebung üben. Sollte das gelingen, wäre es ein erster
kleiner Schritt zu mehr guten Nachrichten.
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