Mehr Symbolkraft hätte die Inszenierung nicht
haben können. Fast die ganze Computerwelt trifft sich derzeit in
Hannover, um sich bei der Cebit gegenseitig die neuesten
Errungenschaften zu präsentieren. Der Branchenprimus aber fehlt, der
zelebriert lieber ganz weit weg in San Francisco sein jüngstens Baby.
Und was passiert? Bei der Cebit wird der Betrieb eingestellt, die
Branche versammelt sich vor den Bildschirmen, um via Livestream oder
Live-Ticker mitzuerleben, was Apple verkündet. Allein die Szenerie
rund um die Vorstellung des neuen iPad illustriert die derzeitigen
Machtverhältnisse in der Branche sehr plastisch. Die Formel ist
zumeist recht einfach: Apple agiert, der Rest reagiert. Den seit
wenigen Jahren sprunghaft wachsenden Sektor der Tablets hat Apple
mehr oder weniger komplett neu erfunden und dominiert ihn bis heute.
73 Prozent Marktanteil hat das Forrester Institut im vergangenen
Herbst für die iPads ermittelt, nicht einmal fünf Prozent für den
stärksten Einzelkonkurrenten. Das mag sich in den vergangenen Monaten
vor allem durch die Aktivitäten von Amazon ein wenig verschoben
haben, spätestens das jetzt verfügbare neue iPad wird die
Marktpositionen aber bis auf weiteres zementieren. Auch wenn es auf
Anhieb seltsam klingen mag: Apple hilft mit diesem nächsten Schritt
nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Branche – und das gleich in
mehrfacher Hinsicht. Da wäre zum einen schlichtweg die Tatsache, dass
die Platzierung des iPad ein neues Marktsegment geschaffen, die
Gewohnheiten und Bedürfnisse der Nutzer verändert hat. Manchmal
wiederholt sich Geschichte eben doch: Das gleiche Spiel haben wir
wenige Jahre vorher mit dem iPhone erlebt. Das Ergebnis heute: Es
gibt einen gigantischen Markt für Smartphones, in dem eine ganze
Reihe von Unternehmen richtig gutes Geld verdienen. Gleichzeitig war
diese Entwicklung die wesentliche Triebfeder für den rasanten
Fortschritt des digitalen Wandels, für die wortwörtliche
Mobilisierung des Netzes. Die von Apple-Boss Tim Cook erneut
beschworene Post-PC-Ära hat längst begonnen. In den USA lag schon
2011 die mobile Internet-Nutzung vor der stationären. Das neue iPad
wird diese Entwicklung erneut verstärken – und gleichzeitig weiter
das Feld für andere Anbieter bereiten. Neben diesen recht simpel
messbaren Auswirkungen enthält die jüngste Erfolgsgeschichte Apples
gleich eine ganze Reihe von Lektionen für die Produktentwickler
dieser Welt. Zu den wichtigsten gehört, dass hohe Benutzbarkeit und
entsprechendes Design mindestens so wichtig sind wie harte technische
Fakten. Man könnte es auch die Entdeckung der Einfachheit nennen. Wer
sich in der Apple-Produktwelt bewegt, wird ihr kaum mehr entkommen –
und das meist auch gar nicht wollen. In diesem digitalen Kosmos gibt
es (fast) keine Kompatibilitätsprobleme, mit jeder neuen Generation
schließt sich eine weitere Lücke. Musik, Bücher, Software, Fotoalben,
Spiele – alles passt zusammen. Bei all dem Hype um das iPad ist in
San Francisco ja fast untergegangen, dass Apple einen weiteren großen
Schritt zum TV-Anbieter getan hat. Das Logo mit dem angebissenen
Apfel ist auch zu einem Symbol geworden. Es fungiert als Ausweis
eines digitalen Lebensgefühls, Zeichen für Kreativität und
Innovation. Auch diese soften Faktoren hatten viele
Technik-Entwickler lange gnadenlos unterschätzt. Apple hat die
Branche hier auf den Weg gebracht, dafür gesorgt, dass sich die
Entwickler viel mehr um die Nutzer kümmern. Der Erfolg bleibt nicht
aus.
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