Mittelbayerische Zeitung: Gefährlicher Präzedenzfall

Von Jens Schmitz, MZ

Man kann darüber streiten, ob die Tötung eines Staatsoberhaupts
Stoff sein sollte für eine Komödie. Geschmacklosigkeit rechtfertigt
aber keine Erpressung, weder per Datenklau noch als Gewaltandrohung.
Der Rückzug des Sony-Streifens „The Interview“ schafft einen
gefährlichen Präzedenzfall. Wo heute Nordkorea triumphiert, könnten
morgen der Iran oder China dem Westen missliebige Debatten
untersagen. Wer sich an Charlie Chaplins Hitler-Satire „Der große
Diktator“ von 1940 erinnert, den muss das aktuelle Einknicken
Hollywoods traurig stimmen. Digitalisierung und globale Vernetzung
machen westliche Firmen heute weit verwundbarer als im 20.
Jahrhundert. Dass Nordkorea ernsthaft plante, in den USA einen
Terrorakt auszuführen, darf zwar bezweifelt werden.
Privatwirtschaftliche Unternehmen sind aber auch virtuell
angreifbarer als ein abgeschotteter Staat, der seinen Bürger kein
Internet gönnt. Sie leben von einem positiven Image, der
Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und dem Gefühl, dass Kunden ihre
Produkte in Sicherheit nutzen können. Pjöngjang dagegen braucht
Konflikte, um innere Geschlossenheit zu erzeugen. Das ist ein
Grundzug autoritärer Regimes, der so wenig verschwinden wird wie die
Angreifbarkeit des Internets. Wenn der Westen seine Freiheit nicht
scheibchenweise opfern will, tut er gut daran, Produkte wie „The
Interview“ nicht zu verstecken. Wie private Firmen darin bestärkt
werden können, ist bislang offen.

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