Die Verleihung des Friedensnobelpreises zeigt:
In der Syrienkrise wird am falschen Ende angesetzt.
Wer gesagt bekommt, er habe etwas gut gemeint, weiß: Er hat sich
bemüht. Und hat es dennoch vergeigt. Über die Entscheidung, die
Organisation für das Verbot von Chemiewaffen mit dem
Friedensnobelpreis auszuzeichnen, lässt sich leider auch nur sagen:
Sie ist gut gemeint. Sicher: Der Arbeit der OPCW gebührt aller
Respekt. Die Inspektoren leisten derzeit in Syrien einen Beitrag
dazu, dass sich Szenen wie die vom August nicht wiederholen. Ihr
Einsatz ist ein Beitrag zur Friedenssicherung und zum Schutz
Unschuldiger. Wer die Bilder von qualvoll erstickten Kindern und
Erwachsenen gesehen hat, der weiß, was für eine furchtbare Waffe
Giftgas ist. Wer sich dafür einsetzt, dass sie überall verbannt wird,
leistet einen Beitrag dazu, die Welt ein Stück sicherer und besser zu
machen. Aber der Haken an dieser Auszeichnung ist derselbe wie 2009
beim Friedensnobelpreis für den damals frisch ins Amt gekommenen
US-Präsidenten Barack Obama: Sie ist eine Auszeichnung auf Vorschuss,
ein ungedeckter Scheck. Obama ist ihr nicht gerecht geworden. Ob die
OPCW dasselbe Urteil ereilen wird, muss sich zeigen. Es steht aber zu
befürchten. Das liegt nicht an der Arbeit ihrer Mitglieder, sondern
an ihrem derzeitigen Einsatz. Mit der Auszeichnung wollte die Jury
der Organisation Rückhalt geben, vor allem während ihrer Mission in
Syrien. Sie sollte eine Wertschätzung ebenso sein wie ein Verstärker:
Wer widersetzt sich schon einem Friedensnobelpreisträger, der
zumindest eine Zeit lang verstärkt im Fokus des Weltinteresses ist?
Der Preis sollte zudem die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass der
Einsatz chemischer Waffen nicht Geschichte, sondern immer noch
grausame Realität ist. Aber die Auszeichnung offenbart, wie hilf- und
konzeptlos die internationale Gemeinschaft dem Krieg in Syrien
gegenübersteht. Die Menschen dort leiden und sterben – oder sie
fliehen millionenfach in Länder, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge
heillos überfordert sind. Syrien ächzt unter einem Krieg, von dem nur
ein kleiner Teil mit chemischen Waffen geführt wurde. 1400 tote
Kinder und Erwachsene bei einem Giftgasangriff sind furchtbar. Aber
jeden Tag, jede Woche, jeden Monat geht das Sterben durch
konventionelle Waffen weiter – auch während die Inspektoren die
Chemiewaffenlager überprüfen. Die Genehmigung ihres Einsatzes durch
das Assad-Regime ist ein Deckmantel, hinter dem sich das
konventionelle Morden besser verstecken lässt. Die Vereinten Nationen
haben zu Recht die Einigung auf den Einsatz der
Chemiewaffeninspektoren als Erfolg verbucht, weil so dem unwürdigen
Geschachere im Sicherheitsrat ein Ende bereitet wurde. Aber die
Entscheidung hat nicht das Ende des Krieges in Syrien eingeleitet,
sondern nur eine Spielart des Tötens verhindert. Im Grunde ging es
dem Westen darum, das Gesicht zu wahren, weil nach dem Überschreiten
von Obamas „roter Linie“, dem Einsatz von Chemiewaffen, Sanktionen
ausblieben. Und es ging darum, die immensen Chemiewaffenbestände
nicht in die Hände von Extremisten fallen zu lassen. Das ist ein
triftiger Grund. Die Inspektion wird den Einsatz von
Massenvernichtungswaffen stoppen. Aber sie beendet den Krieg nicht.
Dafür müssten alle Konfliktparteien an einen Tisch und Assad zu Fall
gebracht werden. Doch dazu fehlt es an einer gemeinsamen Haltung der
Vetomächte im UN-Sicherheitsrat. Insofern ist der Friedensnobelpreis
in diesem Jahr verschenkt. Er geht an eine Organisation, die für das
Gute eintritt, aber alleine nicht für die Sicherung des Friedens
arbeiten kann, weil die Länder, die hinter ihr stehen, selbst nicht
mit einer Stimme für den Frieden sprechen. Das Nobelpreiskomitee hat
es gut gemeint. Aber eine Auszeichnung für Malala Yousafzai, noch
dazu am Weltmädchentag, hätte bedeutet, es auch gut zu machen.
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