Neue OZ: Kommentar zu Bewerbung um Welterbe-Status/Nürnberg

Nürnberg – eine Reise wert?

Alles spricht für eine Geschichtspflege, die mehr als den Stolz
der Vergangenheit im Sinn hat. So schuldet Deutschland es den
NS-Opfern, die Bauten und Dokumente zu erhalten, die deren Leid
beweisen. Auch über den deutschen Totalitarismus hinaus: Der Blick
auf die dunklen Kapitel ist längst eine Selbstverständlichkeit der –
postkolonialen – Geschichtsschreibung.

Dass man über die Bewerbung der Reichsparteitagsstadt Nürnberg um
den Welterbe-Status stutzt, hat also wohl vor allem diesen Grund:
Intuitiv versteht man den Titel eben doch im Sinne eines veralteten
Geschichtsbegriffs: als Anerkennung großer Leistungen. Tatsächlich
aber ist die UNESCO längst weiter und führt seit Jahrzehnten auch
Auschwitz als Welterbe.

Trotzdem muss Nürnberg aufpassen: Der Slogan „Stadt der
Menschenrechte“ wird zur Schönfärberei, wenn nur die
Kriegsverbrecher-Prozesse als erstes Internationales Gericht gemeint
sind – aber nicht die Erinnerung an die Rassegesetze. Dass Nürnberg
sich auch schon mit seinen mittelalterlichen Bauten beworben hat,
lässt die neue Kampagne gefährlich wahllos aussehen. „Nürnberg ist
eine Reise wert“ – zumindest diesen Satz sollte der Bürgermeister
sich verkneifen, wenn seine Gedächtnisarbeit nicht nach
Stadtmarketing klingen soll.

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