Neue OZ: Kommentar zu Kultur / Notfälle / Archive

Kulturpolitischer Spielball

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist zunächst eine menschliche
Tragödie. Zwei Personen sind dabei gestorben, und die Stadt hat sich
hoffentlich nicht im Gewirr aus gegenseitigen Schuldzuweisungen und
Kompetenzgerangel verstrickt, sondern alles getan, um die
Hinterbliebenen angemessen zu entschädigen. Denn das ist das
Mindeste, was die Stadt in diesem Fall tun kann. Der materielle und
der ideelle Schaden, den der einstürzende Altbau gerissen hat, ist,
wenigstens zum größten Teil, reparabel. Allerdings kostet das Zeit,
Geld und Energie.

Zeit ist dabei noch der unproblematischste Faktor: Ob die
Restaurierung der Dokumente nun 50 Jahre, 49 oder 52 dauert, ist
relativ gleichgültig. Anders ist es mit den beiden anderen
Ressourcen: Je länger das Projekt dauert, desto mehr gerät es aus dem
Blick der Öffentlichkeit, sinkt die Energie, mit der es
vorangetrieben wird. Damit steigt die Gefahr, dass der Etat zum
kulturpolitischen Spielball verkommt.

Für die kommenden Jahrzehnte wird jede Haushaltsberatung im Kölner
Stadtrat unter dem Menetekel jener 400 Millionen Euro stehen, die für
die Restaurierung veranschlagt sind. Andererseits öffnet das die
Chance, einer unliebsamen Kulturaufgabe aus dem Weg zu gehen, oder
sich, je nach kultureller Wetterlage, aus dem Etat zu bedienen. Ein
erbärmlicher Zustand.

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