Neue OZ: Kommentar zu Russland / Film / Gesellschaft

Neue Unfreiheit der Kunst

Natürlich muss ein Film vom Genie oder zumindest Talent eines
Künstlers handeln, da hat der russische Kulturminister ganz recht.
Doch zu einer Filmbiografie gehört angesichts von heutzutage reichem
und leicht verfügbarem Informationsmaterial eben auch das
Privatleben. Schließlich wird nicht allein das künstlerische Werk
Tschaikowskys beleuchtet, das ohne lebensgeschichtliche Erklärungen
auskommt. Sondern auch sein Leben, zu dem auch das Lieben mit seinen
sozialen Aspekten gehört.

Der neuralgische Punkt steckt woanders. Russland macht seit Kurzem
seinen Schwulen und Lesben das Leben schwer. So ist es bei Geldstrafe
verboten, positiv vor Minderjährigen über Homosexualität zu reden. Da
weitet sich schnell wieder eine Atmosphäre der Tabuisierung, der
Angst und Ausgrenzung aus. Verehrte nationale Persönlichkeiten wie
der Komponist Tschaikowsky sollen möglichst von diesem „Makel“ frei
bleiben. Solche Geschichtsklitterung in autoritären Staaten ist kein
längst überwundenes Relikt aus dem letzten Jahrhundert, das ist das
eigentlich Erschreckende daran.

Christine Adam

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