Neue OZ: Kommentar zu Union / Merkel

Koch, der Seelentröster

Wer hätte das gedacht: Die Union hat Sehnsucht nach Roland Koch,
dem Polit-Aussteiger. Nicht etwa, weil ihr ein Buhmann fehlt, an dem
sie sich abarbeiten kann. Gefragt ist ausgerechnet Koch als
Seelentröster. Er soll die Verstörten aufrichten, die am
Dauerversagen von Schwarz-Gelb irre werden. Und er soll den
Unionisten das vermitteln, was ihnen bei Kanzlerin Angela Merkel so
bitter fehlt: Stallwärme, Wirgefühl – große Emotionen.

Hessens scheidender Regierungschef hat höchst dubiose Politik
betrieben. Aber bei Christian Wulffs Pannen-Präsidentenkür zeigte er
für die Partei Gespür. Er rüttelte die Unions-Wahlleute auf, beschwor
alte Gewissheiten. Merkels blutarme Rede ließ die Unionisten kalt.
Kochs dramatischen Last-Minute-Call nun aber zu einer Bewerbungsrede
umzudeuten wäre falsch. Einer wie er geht, so wie er es angekündigt
hat.

CDU-Chefin Merkel aber muss sich dringend bewegen. Heute wird sie
erstmals die FDP-Fraktion besuchen. Ob Klimapflege dieser Koalition
des Misstrauens noch hilft? Zu oft hat sie schon auf „Neustart“
gedrückt. Zu lange haben die Liberalen das Regieren geübt, zu stark
hat die CSU das ätzend kommentiert, und zu häufig hat Merkel dabei
weggehört. Jetzt sitzt sie einsam an der Spitze. Die alte Garde,
Koch, Wulff und Co., ist abgetreten. Die Nachrücker sind schwer
einzuschätzen. Und die neue starke Frau der CDU, Ursula von der
Leyen, hat nach zwei Tagen als gefühlte Präsidentin mit Merkel eine
Rechnung offen.

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