Neue Westfälische (Bielefeld): Auftakt des Schieder-Prozesses
Rührend
ANDREA FRÜHAUF

Bilanzfälschungen machen andere doch auch. Rolf
Demuth habe es nur ein bisschen übertrieben, sagt ein ehemaliger
Zulieferer des einstigen Möbelriesen Schieder leicht grinsend und
äußert noch immer Hochachtung vor dem angeklagten 71jährigen
Unternehmensgründer, dessen Lebenswerk längst zerbrochen ist. Zu hoch
angegebene Lagerbestände, die die Bilanzen für Kredite schönen,
scheinen manche Unternehmer noch immer als Kavaliersdelikt abzutun.
In der Not tun sich menschliche Abgründe auf. Wenn es einem
Unternehmen schlecht geht, werden auch die Unternehmer schlecht, sagt
der frühere Bielefelder Sparkassenchef Hans-Georg Vogt, der den
Prozess als Ruheständler beobachtet. Menschliche Schwächen sind
verständlich, aber sie überdecken auch kriminelle Energie. Alle drei
mitangeklagten früheren Schieder-Manager werben mit ausführlichen
Einlassungen geradezu rührend um Mitgefühl. Wohl auch deshalb, weil
dem Vorsitzenden Richter Michael Reineke ein guter Ruf als
Menschenversteher vorauseilt. Nur der herzkranke einstige
„Möbelkönig“ schweigt bisher. Er kennt nun die Vorwürfe der
Mitangeklagten und hat einen Schachzug gut. Das könnte bei allem
Mitgefühl eine geschickte Strategie seiner Verteidiger sein.

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