Neue Westfälische (Bielefeld): CDU/CSU/FDP-Koalition in der Krise Präsidenten-Schacher THOMAS SEIM

Man hatte es anders erwartet. Dass sich der
Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff in nur zwei Tagen zu
einer veritablen Krise der schwarz-gelben Bundesregierung und damit
der Bundeskanzlerin selbst auswächst, ist dann doch überraschend. Es
zeigt, wie wenig die Bundeskanzlerin und die sie tragenden Parteien
tatsächlich auf die Wulff-Krise vorbereitet waren. Darüber hinaus
allerdings ist gestern Abend offenbar geworden, wie beschädigt diese
Koalition aus CDU/CSU und FDP in ihrem Kern ist. Mit ihrem
Präsidiumsbeschluss zugunsten Joachim Gaucks mitten in die laufenden
Beratungen der Koalition über einen gemeinsamen Vorschlag wirft die
FDP der Union den Fehdehandschuh vor die Füße. Sie stützt die
Kandidatur des ehemaligen gemeinsamen Kandidaten von SPD und Grünen
gegen den eigenen Regierungspartner. Schlimmer kann es für das
Bündnis kaum kommen. Das Schauspiel, das Bundeskanzlerin Angela
Merkel mit ihrer Regierung bei der Präsidentensuche bietet, ist
unwürdig. Es ist rücksichtslos im Blick auf den Umgang mit einer
Persönlichkeit wie Joachim Gauck. Man müsste sich schwer täuschen,
wenn Gaucks Bereitschaft zur Kandidatur damit nicht ohnehin
schwindet. Der Streit in der Koalition hat schon jetzt der Würde des
höchsten Staatsamtes geschadet. Die Kandidaten, denen man am ehesten
zugetraut hätte, dieses Amt wieder zu alter Stärke zu führen, haben
unter dem Druck dieses öffentlich ausgetragenen Diputs schon
abgesagt. Statt der Gemeinsamkeit der Demokraten bleibt nun nur der
Geschmack eines Schachers um Posten, Macht und Machterhalt. Was immer
dabei herauskommt: Die Chance, dass sich das Amt von den Rücktritten
der beiden letzten Amtsinhaber erholen könnte, ist seit dem
Wochenende nicht größer geworden.

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