Lange Zeit herrschte selbst in der Bevölkerung
eine weit verbreitete Sorge, dass Lohnerhöhungen der heimischen
Wirtschaft nur schaden könnten und Arbeitsplätze damit aufs Spiel
gesetzt würden. Doch spätestens, seitdem die EU-Staaten Griechenland
mit einer Milliardenbürgschaft vor der Staatspleite retten mussten,
wurden viele eines Besseren belehrt. Die Lohnzurückhaltung der
Deutschen und die gleichzeitigen Lohnerhöhungen in Griechenland haben
den globalen Wettbewerb verzerrt und die Griechen noch tiefer in die
Krise geführt. Selbst die Regierung von Präsident Barack Obama sucht
den Schuldigen für den trägen Aufschwung nicht bei sich selbst,
sondern gibt inzwischen Europa, das jetzt einen Sparkurs verfolgt,
die Mitschuld. Deutschland ist als ehemaliger Exportweltmeister aber
noch immer auf die Abnahme seiner Waren im Ausland angewiesen. Bloß,
was wenn das wichtige Exportland Amerika plötzlich auf stur stellt
und vielen Importen plötzlich den Riegel vorschiebt? Selbst China,
das lange Zeit an zweistellige Wachstumsraten gewöhnt war, spürt
inzwischen eine wirtschaftliche Abkühlung, strebt nur noch ein
jährliches Wachstum von maximal acht Prozent an, auch weil staatliche
Konjunkturprogramme auslaufen. Damit wird die Binnenkonjunktur für
Deutschland künftig wichtiger. Höhere Löhne stärken den Konsum. Ob
Lohnerhöhungen angemessen sind, ist auch eine gesellschaftliche
Frage. Für die Beschäftigten ist dies vor allem eine Frage der
Gerechtigkeit. Dass die Wirtschaft wieder brummt und Konzerne wieder
Milliardengewinne schreiben, ist schließlich ihr Mitverdienst. Selbst
vereinbarte Tariferhöhungen wurden durch Kurzarbeit ausgesetzt. Da
mag es zwar formal richtig sein, dass die Metallindustrie mitten in
der Krise 4,5 Prozent mehr Lohn vereinbarte. Aber gespürt haben das
die Beschäftigten bisher nicht.
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