Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Das Bürgervotum zu Stuttgart 21 und die Folgen Hermanns neue Schlacht MATTHIAS BUNGEROTH

So hat sich Winfried Hermann, bekennender
Bahnfan und ebenso streitbarer Gegner des Bahnhofs-Großprojektes
Stuttgart 21, das nicht vorgestellt. Jetzt muss der grüne
Verkehrsminister Baden-Württembergs genau das Projekt umsetzen, das
er lange Zeit bis aufs Messer bekämpft hat. Eine „krachende
Niederlage“ nennen das politische Beobachter wohl. Mit exakt den
gleichen Worten kommentierte Hamburgs Grünenchefin Katharina Fegebank
Ende September 2008 den Umstand, dass die grüne Umweltsenatorin Anja
Hajduk das in der Hansestadt umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg
genehmigte – wenn auch unter Auflagen. Der Vorgängersenat unter Ole
von Beust (CDU) hatte die Weichen fürs Kraftwerk gestellt, ein
Gericht die Pläne bestätigt. Der grünen Senatorin und erklärten
Kraftwerksgegnerin blieb keine andere Wahl als die Pläne umzusetzen.
Der Grundsatz „Pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) gilt
nun auch für Winfried Hermann. Das Projekt Stuttgart 21 ist
rechtsstaatlich einwandfrei auf den Weg gebracht worden und hat im
Bürgerentscheid zudem eine glatte Mehrheit bekommen. Das Beispiel
Hajduk zeigt, dass ein Rücktritt Hermanns deshalb nun kein
Automatismus sein muss. Allerdings wird der Verkehrsminister beweisen
müssen, was es heißt, dass er den Bau des unterirdischen, 4,5
Milliarden teuren Bahnhofs nun „konstruktiv und kritisch“ begleiten
will. Er kann es sich, auch wegen des Friedens in der Koalition mit
der SPD, die das Projekt stets befürwortete, nicht leisten, es aus
dem Ministerium heraus zu torpedieren. Ob Stuttgart 21, wie
Befürworter sagen, „das neue Herz Europas“ oder ein
milliardenschweres Leuchtturmprojekt wird, das der Bahn aus der
Fläche Geld abzieht, mit dem sie dutzende kleinerer und mittlerer
Bahnhöfe sanieren könnte – diese Frage wird die Zukunft beantworten.

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