Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Das neue rot-grüne NRW-Kabinett steht Krafts großer Schatten THOMAS SEIM

In den kommenden etwa 60 Monaten zählen keine
Ausreden mehr. Die Mehrheit für Hannelore Kraft ist sehr groß. Man
wird kaum jemandem zu nahe treten, wenn man im ersten Urteil über die
neue Regierungsmannschaft festhält, dass im Schatten der beiden
starken Frauen – Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin und Sylvia
Löhrmann als ihre Stellvertreterin – noch wenig Licht erkennbar ist.
Die Opposition in NRW ist offenbar sehr schwach, sonst wären sicher
schon jetzt mehr Schwergewichte im rot-grünen Kabinett nötig. Wohl
gibt es einen Innenminister, der mit seinem resoluten Eingreifen
gegen Salafisten sowie für ein vernünftiges Geschwindigkeitsverhalten
der Autofahrer schnell Profil gewonnen hat. Ralf Jäger ist sicher die
stärkste Figur hinter Kraft und Löhrmann. Ihm folgt mit Norbert
Walter-Borjans ein Finanzminister, der nach anfänglichem Schwächeln
beim Zusammensuchen der Einnahmen des Landes seine Rolle gefunden hat
und bei der Abwicklung der WestLB eine gute Rolle gespielt hat. Dazu
kommt noch ein Arbeitsminister Guntram Schneider, der zwar nicht
immer sicher in seinen Themen zu stehen scheint, aber nach innen ins
Ministerium eine durchaus wichtige und akzeptierte Rolle spielt. Das
war“s mit dem Licht. Sonst ist vieles dunkel geblieben. Eine
Forschungsministerin, die beinahe über verschwundene Atomkugeln
gestürzt wäre und nun vor einem doppelten Abiturjahrgang ein wenig
hilflos wirkt, dazu ein unauffälliger Justizminister. Die
Ostwestfälin Ute Schäfer muss einsam die Interessen der Region
vertreten, wo früher drei Minister wirkten. Dazu eine kaum bemerkte
Europaministerin. Schließlich ein grüner Umweltminister, der sich in
den Untiefen des Ministeriums verbarrikadiert und gelegentlich auch
verliert, sowie eine Gesundheitsministerin, von der man nicht recht
weiß, was sie den ganzen Tag so macht, außer natürlich den Rauchern
das Leben schwerer. Da kommt es schon auf die beiden Neuen an. Der
Ostfriese Garrelt Duin darf in Niedersachsen als gescheitert gelten,
steht aber immerhin für eine geradlinige, eher auf dem alten
Schröder-Kurs liegende Wirtschaftspolitik. Michael „Mike“ Groschek
hat Politik bei dem ehemaligen Finanzminister Heinz Schleußer
gelernt, was auf größeres Potenzial schließen lässt. Unter Beweis
gestellt hat er das aber bislang noch nicht wirklich. Er kennt sich
in der Bau- und Verkehrspolitik aus. Aber man wird abwarten müssen,
ob er dauerhaft aus dem Schatten seiner Regierungschefin treten kann.
In der SPD fiel Groschek gelegentlich durch Akzentsetzungen auf. Er
gehörte zu jenen, die Gerhard Schröder 1997 den Weg ins
„Lafontaine-Land“ NRW öffneten. Er verfügt über ein sehr gutes
Verhältnis zu Frank-Walter Steinmeier, dem Bundestagsfraktionschef
und möglichen Kanzlerkandidaten der SPD 2013. Das verleiht seiner
Wahl ein zusätzliches ganz anderes Gewicht. Hannelore Kraft hat ihr
Team zusammen. Sie regiert nun mit Mehrheit. Von jetzt an gilt“s!

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de