Das Wetter war wohl ganz gut in Südtirol. Und
auch wenn der italienische Ministerpräsident Mario Monti mit seinem
unverantwortlichen Geschwätz über ein Auseinanderbrechen Europas oder
der in dieser Frage sehr ahnungslos wirkende bayerische
Finanzminister Markus Söder von der CSU mit hanebüchenen Attacken auf
die Griechen die Urlaubsstimmung ein wenig vergällten – die deutsche
Regierungschefin wird sich hoffentlich erholt haben. Denn für die
Kanzlerin, die am Montag in ihr Amt zum Regieren zurückkehrt, kommen
jetzt harte Tage. In einem Monat schon urteilt das
Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit des
Euro-Rettungsschirms ESM. Sollten – was immerhin nicht ausgeschlossen
scheint – die Richter die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung in
dieser Sache noch einmal einschränken, steht die Kanzlerin vor den
Trümmern ihrer bisherigen Europa-Politik. Auf dieser Europa-Kompetenz
allerdings gründet bislang Merkels im Wahlvolk unangefochtene
politische Führerschaft. Gerät sie unter Druck, hat das System Merkel
ein Problem. Wie groß dieses Problem werden kann, deutete gestern die
Einlassung des FDP-Fraktionschefs Rainer Brüderle an. Nahezu
wortgleich mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel regte Brüderle
eine Volksabstimmung über Europa an. Die Annäherungsversuche der
Liberalen an SPD-kompatible Positionen ist auch bei ernsthafteren
FDP-Vertretern als dem schleswig-holsteinischen Lautsprecher Wolfgang
Kubicki kaum noch zu überhören. Aber auch unterhalb des wichtigsten
Themas der Euro-Rettung wird die Kanzlerin alle Hände voll zu tun
haben: Die von ihr proklamierte Energiewende ist nicht mehr so
ehrgeizig vollziehbar, wie Merkel sie noch mit ihrem damaligen
Minister Röttgen angekündigt hatte. Zusätzlich hat ihre
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen mit der Debatte um eine
steuerfinanzierte Mindestrente ein Überraschungs-Ei ins politische
Nest gelegt, an dem Teile der Union und die Wirtschaftsliberalen in
der FDP kräftig schlucken müssen. Außerdem ist die Schwesterpartei
CSU unter Ministerpräsident Horst Seehofer angesichts der eigenen
2013 bevorstehenden Landtagswahl zur unberechenbaren Bedrohung
geworden. Und in Niedersachsen wackelt die schwarz-gelbe Mehrheit.
Dagegen sind die Debatten, die die eigene Familienministerin Kristina
Schröder zur Gleichstellung der Homosexuellen-Ehe nicht nur in der
Union losgetreten hat, und auch die für die Kanzlerin eher ärgerliche
Auseinandersetzung mit der SPD um Schweizer Steuerflüchtlinge eher
harmloser Natur. Dazu schwächelt die Konjunktur, die Arbeitslosigkeit
ist wieder leicht angestiegen, und die Organe der inneren Sicherheit
sind in mehrfacher Hinsicht kopflos. Ein Berg von Herausforderungen
also, der ab Montag auf Bundeskanzlerin Angela Merkel wartet. Aber
wie lautet der stete Grundsatz aller Regierenden: Wenn es leicht
wäre, könnten es ja auch andere.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de